Im Osten Namibias

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Freitag, 13. August 2021  mit  Dienstag, 17. August 2021
Heute mal wieder ein Grenzübergang. Ich fahre zehn vor acht los, etwa eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang, da die Tagesetappe mit 773 km sehr lang ist, und auch der Grenzübergang Zeit beanspruchen wird. Nach nur 25 km komme ich zwanzig nach acht an die Grenzstation Mohembo. Es ist absolut nichts los. Auf der botswanischen Seite zunächst die Durchfahrt durch das übliche Desinfektionsbad. Dann gehe ich zur Krankenschwester, die sich das Covid-Zertifikat anschaut und die Temperatur misst. Sie gibt mir ein kleines Formular zum Ausfüllen. Alles in Ordnung, und ich gehe zur Grenzpolizei im Nachbargebäude. Die möchten das Formular und meinen Pass. Ich trage mich derweil in das, in ganz Afrika übliche, große Ausreisebuch ein. Dass, das mit Datenintegrität und Datenschutz absolut nichts zu tun hat, muss ich glaube ich nicht extra erwähnen. Auf jeden Fall ist der Inhalt recht interessant und gibt Aufschluss darüber, wie wenig an dem Grenzübergang los ist, und welche Nationalitäten hier so reisen. Dann soll ich mein Auto noch in das große Buch vom Zoll eintragen. Ich erhalte meinen gestempelten Pass wieder und kann nach weniger als 15 Minuten schon weiterfahren. Das ist geradezu rekordverdächtig.

Auf namibischer Seite herrscht dagegen eindeutig die übliche afrikanische Trägheit vor. Ich stehe zuerst vor einem verschlossenen Tor, und es dauert einige Zeit bis jemand kommt, um das Tor zu öffnen. Kurz danach ein Stoppschild mitten auf der Straße vor einem winzigen Gebäude mit nur einem kleinen Zimmer. Ich warte wieder. Dann kommt jemand in Zivil aus dem Hauptgebäude und kramt in dem kleinen Zimmer hektisch in einer Schreibtischschublade nach einer Corona-Maske. Dann soll ich ein Formular ausfüllen - also das Wort Formular vermittelt hier ehrlich gesagt einen vollkommen falschen Eindruck, denn es ist mehr die kaum lesbare Kopie einer Kopie einer schlechten Kopie eines offiziellen Formulars. Mein Corona-Zertifikat wird geprüft. Also eher betrachtet. Ich zeige auf das Probenahmedatum, aber das interessiert irgendwie gar nicht. Zur Temperaturmessung muss ich mich vor eine Infrarotkamera stellen. Ein echt top modernes Gerät. Wundert mich, dass sie so etwas hier im Busch überhaupt bedienen können. Es braucht dann auch drei Anläufe bis eine nicht völlig lebensfeindliche Temperatur angezeigt wird.

Grenzübergang nach Namibia.

Ich bekomme eine Unterschrift auf das Formular und soll dann warten. Ein zweiter Mitarbeiter kommt und zieht sich einen weißen Vollschutzanzug und Maske an. Mir wird ganz anders. Denn bisher wurden die Selbstschutzmaßnahmen bei der Probenahme für die Corona-Tests eher lasch gehandhabt. Aber dann nimmt er einen Sprühbehälter und besprüht damit mein Auto - mit äußerster Akribie bis der Behälter fast leer ist. Ich kann leider nirgends einen Hinweis auf die Substanz finden. Sie hat auch keinen Geruch. Hier in Afrika könnte ich ja fast frotzeln, dass es einfach Wasser ist. Und wahrscheinlich ist es das auch.

Dann darf ich zum Hauptgebäude für die Einreise und den Zoll weiterfahren. Dort herrscht beim Zoll gute Stimmung, weil irgendjemand Internetvideos herzeigt. Während sich die beiden Beamten der Grenzpolizei gerade nicht einig werden können, wer jetzt ran muss. In der Zwischenzeit bedeutet mir ein Zollbeamter, dass ich ein kleines Formular ausfüllen muss, das dort am Tisch liegt. Ich fülle es aus. Dann nimmt sich einer der Grenzer das Formular mit meinem Pass und legt am Computer los. Es dauert fast zehn Minuten, bis er mich fragt wie lange ich vorhabe zu bleiben. Während der eine Beamte meinen Pass stempelt, kommt der Zöllner und fragt nach meinem Carnet. Ich gebe es ihm. Er will gleich loslegen, und ich sage ihm, dass das doch gar nicht notwendig sei, weil Namibia und Botswana ja eine Zollunion seien. Ja, das bestätigt er und gibt mir das Carnet zurück. Ich sei dann fertig. In der Zwischenzeit habe ich auch meinen gestempelten Pass wieder. Dann kommt jemand vom Road Fund Büro und schnappt sich das Carnet. Er stellt mir das notwendige Cross Border Charge Permit aus. Beim Bezahlen gibt's allerdings Probleme, das Wechselgeld zu beschaffen. Nachdem jeder im Büro vergeblich nach Wechselgeld gefragt worden ist, verlässt der Mitarbeiter das Gebäude und macht sich draußen auf die Suche nach Wechselgeld. Als das schließlich organisiert ist, bin ich nach einer knappen Stunde fertig und darf losfahren.

Im Caprivi Streifen.

Zunächst liegt der Mohembo Grenzposten auf Seite von Namibia im Bwabwata Nationalpark des Caprivi Streifens. Die Straße ist hier Schotterpiste. Ich sehe einige Zebras und Antilopen. Bei Grenzgängern verzichtet Namibia freundlicherweise auf die Parkgebühren. Als ich die Teerstraße B8 nach Westen erreiche, gibt es kein Halten mehr. Immer genau auf dem Geschwindigkeitslimit spule ich die Kilometer herunter. Hier in den nördlichen Gegenden ist die Bevölkerungsdichte sehr hoch. Aus meiner Sicht ist sie für die geplagte Natur viel zu hoch. Die Region kann sich niemals selbst mit Nahrungsmitteln versorgen. Und das Wasser stammt aus viel zu vielen gebohrten Brunnen. Aber hier wundert man sich, dass die Wasserspiegel immer weiter absinken. Die Besiedlungsdichte nimmt im Verlauf der Fahrt umso mehr ab, je weiter ich nach Süden vorstoße.

Die Straße ist im Vergleich zu den bisherigen Erfahrungen hervorragend und hat nur minimal Schlaglöcher. Allerdings verbraucht die hohe Geschwindigkeit, aufgrund des hohen Luftwiderstands mit dem Dachzelt, viel Sprit. Ich muss also in Grootfontein auftanken. Dann geht es weiter auf der B14 Richtung Süden. Insgesamt vier Kontrollstellen sind allesamt in Ordnung. Einmal will man den Inhalt des Kühlschranks sehen, weil die Mitnahme von rohem Fleisch wohl verboten ist. Oder vielleicht will der Beamte halt einfach etwas zum Abendessen abgreifen. Einmal fragt mich ein Polizist, wo denn meine runde Zulassungsdisc an der Windschutzscheibe sei. Ich erkläre ihm, dass das Auto in Deutschland zugelassen ist, und bei uns die Zulassungsplakette am hinteren Kennzeichen angebracht ist. Ich zeige sie ihm und er ist zufrieden. Schließlich zweige ich von der asphaltierten B14 auf die Piste nach Hochfeld ab. Ich komme kurz vor Sonnenuntergang auf der Farm Ombeameiata an.

 

Am Samstag und Montag unternehme ich jeweils eine ausgiebige Farmrundfahrt und lerne einiges über das Farmen in Namibia. Über die Jahreszyklen und die Wetterabhängigkeiten. Da höre ich eine sehr interessante Zahl. Um ein Rind oder ein Wildtier ausreichend zu versorgen, benötigt man etwa 10 Hektar Farmfläche. Das verdeutlicht, wie karg die afrikanischen Böden im Vergleich zu den europäischen, insbesondere bayerischen Böden sind. Und es zeigt die hohe Empfindlichkeit des natürlichen Gleichgewichts von Pflanzen, Wasser, Böden und deren Bewohnern. Und ich lerne noch eine äußerst interessante Tatsache. Das wunderschöne gelbe, ausgetrocknete Gras braucht Tiere um sich zu vermehren. Die Tiere und Vögel fressen die Samen und verteilen sie oder sie trampeln beziehungsweise dreschen das Gras mit ihren Hufen und setzen erst so die Samen für die nächste Generation frei. Wenn also aufgrund von Wasserknappheit die Tierbestände in der Trockenzeit in einem Jahr abnehmen, dann fehlen im nächsten Jahr entsprechend die Futterpflanzen. Die Natur braucht also nach einer solchen Störung mehr Zeit, bis sich wieder alles eingependelt hat.

Auf der Fahrt sehe ich viele der hier lebenden Wildtiere. Dann entdecken wir an einer Stelle Geier. Dort finden wir den Kadaver eines gerissenen Kalbs. Die Bissspuren verraten, dass es ein wilder Gepard war. Die Jagd muss schon einige Stunden her sein, und entsprechend finden wir den Geparden natürlich nicht mehr. Am Sonntag geht's zu einem wunderbaren Sundowner. Wir sehen wieder sehr viele verschiedene Wildtiere, die auf der Farm leben. In der Dämmerung sehen wir schließlich zwei junge, ganz süße Löffelhunde.

Am Dienstag kommen Elke und Carsten zum Abendessen, und wir tauschen uns über die alten Zeiten und die Zukunft aus. Es entsteht auch eine Diskussion über die Folgen von Corona. Insbesondere die massive Zunahme von Wilderei in den afrikanischen Nationalparks. Da erfahre ich erneut, dass die Jagd auf Nashörner seit Beginn der Corona-Pandemie massiv zugenommen hat. Und die Muster der Abschlachtungen zeigen eine Systematik, die sich nur erklären lässt, wenn man unterstellt, dass auch offizielle Personen - also Ranger und Angehörige der Anti-Poaching-Einheiten - in dem Geschäft kräftig mitmischen. Die Zahl der Nashörner in Botswana und Namibia hat jedenfalls inzwischen dramatisch abgenommen. Das könnte auch erklären, weswegen in den Nationalparks die erste Frage immer wieder war, ob ich denn Nashörner gesehen hätte.

 

Mittwoch, 18. August 2021
Fahrt zum bekannten Waterberg Plateau Nationalpark über Hochfeld und dann entlang der C30, der C22 und schließlich der D2512. Es gibt allerdings mehrere solcher Plateau-Berge in der Gegend. Heute ist es relativ diesig, und die Sicht ist nicht wirklich weit. Am Parkeingang funktioniert die Kreditkartenmaschine nicht. Na, das fängt ja in Namibia gut an. Ich komme nach vier Uhr im Camp am Fuße des Waterberg Plateaubergs an und gehe den langen Aufstieg zum Aussichtspunkt. Der Weg ist ein wenig eingewachsen und einige große Steine liegen im Weg. An zwei Stellen ist wirklich Klettern angesagt. Am Aussichtspunkt angekommen, bin ich allerdings etwas enttäuscht ob des bescheidenen Anblicks der Landschaft. Es gibt da leider nicht so wahnsinnig viel zu sehen, weil es eben diesig ist, und die Sicht daher nicht so weit ist. Das Motiv besteht vor allem aus Farmland, das sternförmig von Straßen durchzogen ist. Aber die beleuchteten Felsen an den Flanken des Plateaus leuchten mit kräftigen Farben in der Abendsonne. Sie bilden einen schönen Kontrast zu den dunklen, nicht beleuchteten Felsen. Die Sonne geht langsam hinter dem Berg unter, und ich muss mich an den Abstieg machen.

Im Camp angekommen beginne ich sofort mit dem Zeltaufbau. In einer Entfernung von vielleicht zwanzig Metern sehe ich ein Tier in der Größe eines Schakals. Ich beachte es nicht weiter. Aber dann sehe ich einen der Parkwächter länger in die Richtung starren. Und im Hintergrund fängt einer der Paviane an, recht eindeutige Warnrufe abzugeben. Das sind die Warnrufe bei Anwesenheit eines Leoparden. Ich schaue erneut nach dem Tier, das inzwischen in die andere Richtung wegläuft. Der Parkwächter erzählt mir, dass es ein Leopardenjunges gewesen ist. Jetzt fluche ich, weil ich dem kleinen Besucher nicht mehr Aufmerksamkeit gewidmet habe.

 

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