Montag, 21. Juni 2021
Der Plan ist die "berühmte" Strecke von Maun nach Kasane in zwei Etappen zu bewältigen. 1995 hatten meine Familie und ich, zu meiner Abiturreise, diese Strecke von circa 360 km an einem Tag in der anderen Richtung durchquert und haben uns in beachtliche Schwierigkeiten und Gefahren begeben. Die schwere Sandpiste hatte unserem damaligen Fahrzeug alles abverlangt. Wir sind über weite Strecken mit Untersetzungsgetriebe, Differentialsperre und hohen Drehzahlen um die 4.000 U/min gefahren. Und das, mitten durch dichtes Buschwerk auf einer einspurigen Strecke. Die drei entgegenkommenden Autos sind zu unserem Glück damals ausgewichen, weil unser Wagen die steile Böschung nicht geschafft hätte. Ich war also für diese Strecke vorgewarnt und wollte es - vielleicht gerade deswegen - selbst probieren.
Der erste Fahrtag mit echter Sandpiste Richtung Norden bis ins 195 km entfernte Savuti Camp mitten im Nirgendwo. Direkt nach Abfahrt von der Lodge um viertel vor neun gleich ein richtiger Schock. Der kalte Motor schafft die kurze Sandstrecke auf dem Weg zur Hauptstraße nicht und dann bekomme ich auch das Untersetzungsgetriebe nicht zugeschaltet. Verdammt, das kostet Zeit aber ohne Untersetzung ist die Strecke nicht zu bewältigen. Also ab zur Toyota-Niederlassung am Flughafen von Maun. Zum Glück gibt es die hier und zum Glück ist es mir rechtzeitig aufgefallen. Irgendwie zweifle ich aber doch, daß das Auto nicht funktioniert und schnappe mir aus einem Instinkt heraus noch einmal die Bedienungsanleitung. Da steht, die Untersetzung L4 schaltet man in der N(eutral)-Stellung des Getriebes zu. OK, wenn man es richtig macht, dann geht es auch einwandfrei. Die Untersetzung schaltet sich zu und auch der Multi-Terrain- und Crawl-Modus funktionieren. Man muß es halt nur richtig machen.
In Maun habe ich dann noch vollgetankt und den Zeltplatz CV10 im Savuti Camp bei SKL Camps für zwei Übernachtungen bestätigt und bezahlt. Von Maun geht es zunächst 30 km auf ordentlicher Teertraße Richtung Norden. Dann beginnt eine relativ gute Piste bis zum Mababe Gate. Ich reduziere für die Piste den Reifendruck von 3 auf zunächst 2.1 bar, was die Fahrt deutlich angenehmer macht - und gleichzeitig auch den Reifen bei Steinen zu Gute kommt. Die neu installierten Stoßdämpfer zeigen bereits hier, was sie können und fangen sehr viele der Stöße der steinigen Piste ab. Bei starkem Wellblech wird das Auto zwar immer noch geschüttelt, aber bei weitem nicht so schlimm und hart durchgeschüttelt, wie ich es von anderen Autos kenne.
Parkgebühr am Gate bezahlt - geht mal wieder nur in Bar - und los gehts. Hier beginnt also der gewaltige Komplex der großen Parks Moremi Wildreservat, dem Chobe Nationalpark und dem Savuti-Linyanti Gebiet. Zusammen ergeben sie eine Fläche von fast 17.000 km² und sind damit so groß wie ganz Oberbayern. Ein schier unendlich scheinendes Sandgebiet. Moremi beheimatet das berühmte Okavango Delta, wo das Wasser dieses gewaltigen Flusses in den unerbittlichen Sandmassen des Kalaharibeckens verdunstet oder versickert. Aufgehalten von den quer zum Fluss verlaufenden hydrologischen Barrieren der Kunyere- und Thamalakane-Spalten, eine südliche Fortsetzung des Großen Afrikanischen Grabenbruchs (Great Rift Valley), erschafft der Fluss dabei inmitten der trockenen Kalahari ein über 20.000 km² großes Binnendelta. Eines der größten und tierreichsten Feuchtgebiete in Afrika und ein einzigartiges Naturparadies für Wildtiere und Vögel. Der Chobe, ein Zufluss - und manchmal auch ein Abfluss - des großen Sambesi, bildet die Nordgrenze der Parks. Die beiden Flüsse Savuti und Linyanti befinden sich ebenfalls in der Gegend und können bei jeweils starkem Hochwasser zu Teilen des Okavango-Systems oder auch des Sambesi-Flußsystems werden.
In diesem Park ist Afrika - vor allem mit dem extrem geringen Tourismus derzeit - wirklich noch wie ursprünglich. Wenn gleich die Bevölkerung an den Grenzen der Schutzgebiete unaufhörlich daran nagt und immer wieder in die Parks eindringt. Wilderei ist ein ständiges Problem.
Die Steinpiste wird immer häufiger von Sandstellen unterbrochen, die dazu noch immer länger werden. Diese bremsen das Auto zwar sehr deutlich ab und der Verbrauch geht hoch. Aber der Tank mit 270 Litern ist absolut voll, das sollte reichen. Ich reduziere den Reifendruck noch einmal auf jetzt 1.7 bar (0,2 bar Differenz zwischen Reifendruckmesser und integrierten Sensoren). Dann kommt die erste schwere Sandstrecke mit tiefen Spurrinnen. Der Wagen fährt fast vollkommen unbeeindruckt hindurch, selbst ohne Untersetzung kommt er spielend durch. Meine Eltern hätten gesagt: "Marschiert gut durch." Zunächst kann ich es gar nicht recht glauben. Aber die anderen Sandstellen sind kaum anders. Die 270 PS, aber vor allem die mächtigen 650 Nm Drehmoment spürt man einfach - es ist herrlich.
Es kommt eine sehr lange und tiefe Sandstelle. Diesmal bleibe ich mit Absicht mitten drin stehen und schalte die Untersetzung zu. Dadurch vervielfacht sich das verfügbare Drehmoment an den Reifen. Auch hier klappt das Anfahren vollkommen sanft, die Drehzahl des Motors erreicht kaum 2000 U/min. Es geht alles unhektisch und geschmeidig. Auch die Stoßdämpfer sind im Sand wirklich ein Traum. Selbst Fahrfehler verzeihen sie mühelos. Es macht einfach irre Spaß - der Wagen schwebt beinahe über den Sand. Nur langwellige Bodenwellen schaukeln die Karosserie manchmal auf. Dann gehe ich vom Gas, der Wagen wird langsamer und alles beruhigt sich schnell wieder. Das, glaube ich, ist das entscheidende beim Fahren im Busch - wo man ja auch noch Tiere finden möchte. Das man alles langsam angehen kann, keinen Schwung braucht sondern mit aller Ruhe und Kraft durchkommt.
Auf der gesamten Strecke bis zum Savuti Camp gibt es nicht eine Stelle, an der ich nicht durchkomme. Die Geschwindigkeit schwankt zwischen 4 und 40 Stundenkilometern. Manchmal lasse ich den Wagen einfach nur mit Standgas durch den Sand tuckern.
Bald bin ich mitten im Busch, im afrikanischen Nirgendwo. Laut Eintrittsbuch am Gate, und wie sich zwei Tage später anhand des Eintrittsbuchs am Nordgate rekonstruieren lässt, befinden sich nur insgesamt drei andere Autos im Park. Ich sehe mehrere Gruppen von Giraffen, einsame Elefanten, einige Impala-Familien, Kudus und verschiedene Vogelarten. Der Himmel ist etwa zur Hälfte von Wolken bedeckt. Wobei die Wolkendecke nur dünn ist, so dass die Sonne trotzdem sehr stark ist. Am Morgen hatte es noch 13 °C. Die Temperatur kletterte dann im Laufe des Tages auf sehr angenehme 23 °C. Ideales Wetter für Tierbeobachtungen, nicht zu heiß und die Tiere suchen nicht alle verzweifelt den Schatten und sind dann kaum zu sehen.
Im Süden des Parks ist der Sand sehr hell, es ist fast Staub. Und der kriecht wirklich in jede Ritze, selbst bei Umluftbetrieb. Man schmeckt diesen Staub sogar etwas - nicht schlimm aber er ist da. Und man zieht eine beachtliche Staubwolke hinter sich her.
Ankunft im Camp kurz vor Sonnenuntergang und Übernachtung im Zelt. Zwei der anderen Autos sind auch hier - beide aus Südafrika. Eigentlich könnten hier zehn Fahrzeuge übernachten.
Dienstag, 22. Juni 2021
Erkundung der Gegend um Savuti. Ich fahre zu einigen natürlichen Teichen, künstlichen Wasserlöchern und Aussichtspunkten. Sehe viele Antilopen, Affen, ein paar Elefanten, Giraffen und Warzenschweine. Vor allem aber Vögel.
Die Savuti-Region besteht aus dem Savutikanal, den Savutisümpfen, der Mababe Depression und dem Magwikhwe Sandrücken. Bewässert wird die Region vom unregelmäßig fließenden Savutikanal, der die Sümpfe mit Wasser füllt. Das Savannenland ist bekannt für die jährliche Wanderung der Zebras, Kudus, Impalas und Gnus immer gefolgt von den Raubtieren.
Typisch für die Region sind die vielen abgestorbenen Bäume. Es gibt mehrere Erklärungsversuche zur Ursache. Von vielen werden sie als Zeugen von lang andauernden Trockenperioden angesehen. Andere führen das Sterben auf Kollateralschäden des intensiven Einsatzes von DDT in den 70ern zur Bekämpfung der Mücken zurück. Dies wurde damals unausweichlich um die Übertragung der gefährlichen Schlafkrankheit von den Mücken auf Menschen und Wildtiere zu verhindern. Die dritte Erklärung scheint mir die plausibelste zu sein, da sie in anderen Regionen genauso zu beobachten ist. Es handelt sich dabei überwiegend um eine Baumart, nämlich den Mopanetree. Diese Bäume haben ganzjährig eine sehr nährstoffreiche Rinde und werden daher von Elefanten sehr gerne abgeschält. Ist die Rinde aber einmal um den Stamm herum entfernt (ring barked), dann stirbt der Baum zwangsläufig ab. Bei einer entsprechend großen Elefantenpopulation - ein Elefant frisst pro Tag etwa 600 kg - ist der Nahrungsbedarf entsprechend groß. Also sind die toten Bäume vielmehr eine Warnung der Natur, dass Überbevölkerung ein gefährliches Ungleichgewicht in Gang setzen kann. Denn die Regionen mit den toten Bäumen verlieren einen Teil ihrer Schattenspender und die Elefanten weichen auf andere Bäume oder vor allem auf Sträucher aus. Sind auch diese abgeerntet versteppt die ganze Gegend.
Die Mababe Depression ist das Bett eines uralten Sees. Der See füllt sich nur, wenn im Savutikanal Wasser fließt. Aus der eher braunen wird dann eine herrlich grüne Landschaft, die Unmengen an Wildtieren anlockt. Während der Trockenzeit, die im Oktober ihren Höhepunkt hat, weichen die Tiere überwiegend auf künstlich angelegte Wasserlöcher aus.
Ankunft im Camp kurz nach Sonnenuntergang und Übernachtung im Zelt. Die überschaubare Tagesfahrleistung von 76,3 km - alles Sandpisten - und die Laufzeit des Motors von 9 Stunden 20 Minuten hat umgerechnet 19,1 l Diesel verbraucht. Mit einem solchen Wert bin ich sehr zufrieden.
Ich stelle zudem fest, wie wunderbar präzise die neuen Satellitenkarten von Tracks4Africa sind. Sie enthalten auch die kleinsten Pisten und geben ein gerüttelt Maß an Sicherheit. Eine Einrichtung, die wir gerne 1995 in Anspruch genommen hätten. Damals erfolgt die Navigation noch mit recht groben Karten und vor allem mit Instinkt. Ich gebe zu, mir sind da die heutigen Möglichkeiten schon lieber. Zumal beim alleine Fahren ein beachtlicher Teil der Aufmerksamkeit der Straße und dem Auto gilt. Das Ausschauhalten läuft da eher nebenher.
Mittwoch, 23. Juni 2021
Es hat 18°C und es geht eine angenehme Brise. Ich habe nochmal ein paar Runden gedreht und stehe nun am Baobab Stretch Point. Von hier hat man einen schönen Blick über die Ebene und den gegenüber liegenden Magwikhwe Sandrücken.
Bei dem niedrigen Sandrücken handelt es sich wahrscheinlich um die frühere westliche Grenze eines anderen großen Sees. Sie ist nur spärlich bewachsen, wodurch der gelbe Sand deutlich hervortritt und ihn gut sichtbar werden lässt. Er sieht aus wie ein etwa 20 Meter hoher, flacher Dünenkamm mit einer Länge von vielen zig Kilometern. Er läuft ungefähr parallel zur Hauptpiste und endet kurz vor dem Savuti Camp.
Ich fahre zurück zur Hauptpiste und biege nochmal ab um den Leopard-Hill zu umrunden. Dabei überquert man den Sandrücken. Und genau hier bleibe ich das erste Mal stecken. Naja, das ist vielleicht nicht ganz richtig. Genauer, ich komme nicht mehr voran und fahre ein wenig zurück. Aktiviere L4 und die Differentialsperre und mache einen zweiten Anlauf. Aber der Sand ist zu fein und die Steigung zu groß für den schweren Wagen und so klappt auch der zweite Versuch nicht. Immerhin klappt das rückwärts Zurücksetzen und ich muss nicht schaufeln. Vielleicht wäre es mit mehr Anlauf geglückt, aber irgendwie war mir jetzt nicht danach. Eine etwas daneben gelegene Fahrspur hatte sichtbar gröberen Sand und dort klappte die Überquerung. Trotz des Namens des Felsen leider kein Leopard in Sicht. Aber ich sehe eine Menge kleinerer Tiere, Zebramangusten und Eichhörnchen.
Um die Mittagszeit Aufbruch nach Kasane. Ich nehme, auf eine Empfehlung hin, die rechts gelegene Sandy Road und nicht die steinigere Airstrip Route. Einer der Ranger hatte noch gemeint, dass nach dem Parktor die Asphaltstraße nach Kasane anfinge. Die Sandpiste läuft wieder einwandfrei auch wenn es aufgrund der Beschaffenheit der Piste insgesamt langsamer voran geht. Ich bemerke die Farbänderung im Sand. Die wechselt im Laufe der Fahrt von gelb nach rot. Auf der Strecke kommen mir zwei einzelne Militärfahrzeuge entgegen, gehören wohl zu den Anti-Wilderei-Einheiten in der Region.
Um 14:30 Uhr verlasse ich den Nationalpark durch das nördliche Gate. Die Fahrzeit sei noch circa 3 1/2 Stunden und kein Asphalt in Sicht. Die Strecke außerhalb des Parks sieht wesentlich rudimentärer aus als im Park. Ich komme noch langsamer voran, weil es sehr unangenehme lange Bodenwellen gibt, die zu einem heftigen Aufschaukeln des Wagens führen. Also fahre ich entsprechend langsamer - um die 20 km/h. Das Auto ist trotzdem super schön und angenehm zu fahren. Auch die Inneneinrichtung hält was sie verspricht. Es quietscht nichts. Zugegebenermaßen ruckelt es und beim Aufschaukeln springt wirklich alles im Auto herum. Aber es quietscht nichts. Dennoch fahre ich langsamer, weil durch das Dachzelt der Schwerpunkt des Wagens erhöht ist (Gesamthöhe nun etwa 2,40 cm) und der macht das Auto ein wenig anfälliger fürs Umkippen und es erhöht die Seitenwindempfindlichkeit. Also lieber nichts riskieren.
Die Temperatur steigt auf 25°C. Zunächst, vielleicht 40 km, gibt es beidseitig der einspurigen Piste dichten Busch. Zusammen mit dem tiefen Sand fühlt es sich in etwa so an, wie wir das damals 1995 erlebt haben. Ich versuche neben dem Fahren mit dem Handy einen kleinen Film (entstand um 13:15 bei S18° 29' 58" - O24° 7' 23") aufzunehmen. Aber der ist unbrauchbar, weil so stark verwackelt. Nach dieser wilden Strecke kommt eine Hauptstraße, recht breit aus tiefrotem Sand. Ich kann mit circa 60 km/h fahren, bis mich heftiges Wellblech zum Verlangsamen zwingt. Trotzdem komme ich gut voran. Mitten in der Straßen stehen ab und an größere Bäume und manchmal ist auf der vorgesehenen Straßenfläche nur eine Fahrrinne zu gebrauchen.
Nach einiger Zeit, 95 km vor Kasane, beginnt die Asphaltstraße und es geht wieder schneller voran. Wieder mehrere Kontrollpunkte auf der Strecke. Die letzte Polizeikontrolle findet dann am Ortseingang von Kasane statt, einer Stadt mit vielleicht 20.000 Einwohnern. Der Polizist ist wieder sehr freundlich und will nur den Führerschein sehen. Ich zeige zunächst meinen deutschen und krame nach dem internationalen aber der deutsche reicht dem Beamten schon und er winkt mich durch.
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