Abenteuer ...

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Mittwoch, 07. Juli 2021
Abfahrt um 07:45 Uhr Richtung Parkeingang. Dort am Gate wird mein Plan, den Nationalpark von Mfuwe im Süden nach Chifungwe im Norden zu durchqueren und dann bis Mutinondo weiter zu fahren, unterbunden. Die Böschung an der Durchfahrt durch den Fluss Mupamadzi im Norden sei nicht befestigt (sand bagged), und zudem führe er noch zu viel Wasser. Da sind sich die drei Ranger ganz sicher. So fällt also das große Abenteuer South Luangwa Durchquerung leider aus.

Übrigens habe ich zwei Wochen später zwei Niederländer getroffen, die seit 9 Monaten in Afrika unterwegs sind, und diese Strecke am 05. Juli gefahren sind. Die Flussdurchquerung sei aufgrund des Wasserstandes unproblematisch, und auch das Ufer sei mit einem Geländefahrzeug sehr gut machbar gewesen. So kann's gehen. Leider hatte ich diese Informationen heute noch nicht.

Daher entscheide ich mich für die alternative Route entlang des Ostrandes des Nationalparks bis zum Luambe Nationalpark. Dort Überquerung des Luangwa Flusses und dann in einem großen Bogen westwärts im Norden des South Luangwa Nationalparks bis nach Mutinono in der Nähe der Great North Road (T2).

Details der heutigen Route.
Überblick über die heutige Route aus den detaillierten Aufzeichnung meines GPS Geräts.
Satellitenbild.
Auch wenn auf der Satellitenkarte nicht allzu viel zu erkennen ist. Zwei Dinge stechen hervor. Der Flusslauf des Luangwa im Osten und das mächtige Muchinga Escarpment im Westen.

Ich habe nicht wirklich Ahnung, was mich da heute erwartet. Also aufs Geratewohl los. Zunächst folgt eine kurze Fahrt auf der Asphaltstraße nach Süden vom Nationalpark weg. An der Stelle, an der das GPS meine Abzweigung nach links auf die D104 zeigt, ist zwar ein schmaler Feldweg, aber der sieht mir nicht nach der richtigen Straße, sondern ehrlich gesagt eher wie eine Hofeinfahrt aus. Also frage ich den Fahrer eines anderen Autos, der aber den Abzweig nach Milyoti am Nsefu Sektor bestätigt. Na gut, immerhin kennt das GPS diesen Weg. Ich fahre also auf diesen Feldweg. Die Hütten ganz nahe, die Pflanzen gehen bis an den Wegrand. Auch nach einem Kilometer ist der Weg wirklich maximal als Feldweg zu bezeichnen. Noch immer stehen überall, nicht weit weg Rundhütten und eine Menge Menschen. Also einsam habe ich mir irgendwie anders vorgestellt. Und überall Lagerfeuer und Brände zum Roden des Busches. Die Sicht ist aufgrund des Rauches nicht gut.

Die Strecke zu Beginn des Abenteuers.

Nach einigen Kilometern kommt eine Flussquerung. Das Ufer ist relativ flach, und die Durchfahrt durch das vielleicht 30 cm tiefe Wasser stellt kein Problem dar. Auch die gegenüberliegende Uferböschung lässt sich einfach erklimmen. Kurz darauf eine erneute Flussquerung, diesmal allerdings ohne Wasser, sondern nur mit Sand. Im Verlauf der nächsten Kilometer kommen noch einige weitere Flüsschen. Oft waschen die Leute ihre Wäsche dort. Die Durchfahrten sind alle recht gut machbar, da die Ufer überwiegend flach sind. Also keine Gefahr stecken zu bleiben. Auch der Schlamm behindert das Fortkommen nicht. Leider wirbeln die Reifen im Wasser immer etwas Schlamm auf, und ich hoffe die Leute nehmen rechtzeitig ihre Wäsche aus dem Wasser. Es folgen drei Querungen von leeren Flussbetten. Eines mit tiefem Sand und zwei mit steinhart gewordenem Lehm. Alles kein Problem, und so sehe ich mich gut vorankommen und bin guten Mutes, die Route wie von Kent beschrieben zu meistern.

Bevorstehende Flussdurchquerung.
Unmittelbar bevorstehende Flussdurchquerung.

Um 09:50 Uhr gelange ich an eine zunehmend sumpfige Stelle. Die Route biegt rechts weg, verläuft dann circa einen halben Kilometer senkrecht zur bisherigen Strecke, biegt dann wieder links ab und verläuft für wenige Meter parallel zur alten Streckenführung. Dann geht es erneut links und der Weg führt den halben Kilometer wieder zurück bis fast an den Ausgangspunkt. Nur eben jenseits dieses Sumpfes. Da keine einzige Fahrspur geradeaus führt, folge ich der "Umleitung" und stehe am entferntesten Punkt des Umwegs vor einer unergründlichen Wasseransammlung. Das Gelände ist lehmig, und ich sperre zur Sicherheit das Differential. Bei der Durchfahrt des Wassers spüre ich, wie der Wagen nach rechts wegrutscht. Eine leichte Lenkbewegung nach links und der linke Vorderreifen bekommt gute Bodenhaftung, und der Wagen fährt auf der anderen Seite des Wasserlochs wieder heraus. Erst als ich auf der anderen Seite angekommen bin, bemerke ich den unangenehmen Geruch des Wassers. In der Nähe stehen ein paar Zebras und beobachten gespannt das nasse Treiben.

Schlammloch.

Es geht weiter durch die Wildnis, wobei die Vegetation mal nur aus kurzen Gräsern und mal aus Büschen und Bäumen besteht. Sie ist recht oft von Dörfern und Hüttenansammlungen unterbrochen. Insgesamt sehe ich auf der Fahrt nur wenige Wildtiere. Ein paar Zebras und ansonsten vor allem Impalas. Kurz nach elf Uhr gelange ich an den völlig ausgetrockneten Lukuzye, etwa 15 Kilometer vor Milyoti am Nsefu Sektor. Die Böschung ist recht hoch und zudem steil. Der Flusslauf hat eine Breite von vielleicht hundert Metern und besteht überwiegend aus Sand. Die durch den Lauf führende Fahrspur ist sehr tief. Auf meiner Seite des Ufers steht am unteren Ende der Böschung ein Lastwagen im Sand. Er blockiert die Durchfahrt vollständig. Auf dem gegenüberliegenden Ufer parkt ebenfalls ein Lastwagen.

Noch stehe ich oben am Steilhang und beobachte für ein paar Sekunden die Szene. Der Lastwagen auf meiner Uferseite gibt Gas, deutlich an der schwarzen Abgaswolke zu erkennen, bewegt sich aber nicht. Er ist umrundet von vielleicht zwanzig Personen. Da wird mir klar, dass er im tiefen Sand stecken geblieben ist. Ich setzte die Maske auf, steige aus und laufe langsam die Böschung hinunter. Inzwischen sind neben meinem Auto schon zwei Mopeds mit fünf Schaulustigen aufgetaucht. Ich grüße die Helfer, von denen nur einer gebrochen Englisch kann. Er trägt gute Kleidung und einen Schulranzen. Eventuell ein Schüler einer Secondary School. Mir wird bedeutet, dass der Lastwagen festsitzt, und sie versuchen wollen, ihn wieder rückwärts die Böschung hoch zu bringen.

Steckengebliebener Lastwagen.

Ich gehe einmal um den Lastwagen, um mir ein Bild zu machen, genau beäugt von den Helfern. Einige Werkzeuge liegen herum. Die Helfen haben eine große Plane unter das Gefährt bugsiert, die hat sich allerdings im Antriebsstrang verfangen. Die Hinterreifen des Lastwagens sind völlig abgefahren und rutschen im Sand einfach durch. Zum Glück ist er nicht beladen. Die Vorderräder sind bereits frei geschaufelt. Aber die Doppelhinterachse steckt recht tief im Sand. Wir schaufeln die Hinterräder aus, und ich werfe einige der herumliegenden Äste und Pflanzenteile hinter die Reifen. Dann unternehmen wir einen Versuch im Rückwärtsgang. Der Fahrer gibt Vollgas, und alle helfen beim Schieben. Aber der Versuch misslingt. Nicht einen halben Meter haben wir geschafft. Enttäuschung macht sich breit.

Ich diskutiere mit Händen und Füßen den Einsatz meiner Winde. Aber das Gewicht des festsitzenden Lastwagens ist für die Winde und das Seil zu groß. Aber die Helfer haben ein starkes Seil dabei, und damit verbinden wir die Stoßstange des Lastwagens mit einem meiner vorderen Abschlepphaken. Es wird weiter geschaufelt. Dann fährt der Lastwagen circa einen halben Meter nach vorne. Die Helfer schaufeln erneut Sand von den Hinterrädern weg. Und sie bekomme die Plane wieder frei. Dann unternehmen wir einen weiteren Versuch. Der Lastwagen gibt ordentlich Gas, und ich gebe Vollgas rückwärts die Böschung hoch. Zunächst scheint es zu klappen, und der Lastwagen bewegt sich über die Hürde vom letzten Mal. Aber dann geht plötzlich nichts mehr. Meine Räder drehen zwar nicht durch, aber es geht nichts mehr weiter. Irgendein Widerstand. Ich lasse das Seil etwas locker, und wir betrachten nochmal die Rampe. Es fällt auf, dass der Lastwagen etwas zu schräg zur Böschung steht. Der Fahrer kann das mit leichtem Vor- und Rückwärtsfahren etwas verbessern.

Der Verbindung.

Dann unternehmen wir einen dritten Versuch. Wieder Vollgas. Aber wir bleiben wieder hängen. In meiner Anzeige erscheint die Fehlermeldung "4-Wheel-AHC-System prüfen". Na, diese Meldung kenne ich doch. Das ist ein Hinweis, dass einer der Höhensensoren vom Fahrwerk an die obere oder untere Begrenzung gestoßen ist. Verdammt. In Deutschland musste Toyota das gesamte Fahrwerk vermessen, damit diese Meldung wegging. Sie ist zwar nicht schlimm, aber solange die Fehlermeldung aktiv ist, kann ich in der Anzeige im Armaturenbrett auf Dauer nichts anderes anzeigen. Na schön, was soll's. Die Zahl der Zuschauer bei diesem Spektakel hat sich übrigens inzwischen verzehnfacht.

Einer der Helfer hat beim letzten Versuch das Problem erkannt. Die Stoßstange des Lastwagens stößt an einer sehr harten Stelle der Böschung an und kommt dort nicht drüber. Es wird ein Pickel geholt und diese Stelle recht fix abgegraben. Dann ein erneuter Versuch. Der Lastwagen setzt nochmal einen Meter nach vorne und gibt dann im Rückwärtsgang Vollgas. Gleiches tue ich. Zunächst geht wieder nichts trotz Untersetzungsgetriebe und durchgetretenem Gaspedal. Aber dann ändere ich meinen Lenkeinschlag, und mein Wagen setzt sich ganz langsam die steile Böschung hinauf in Fahrt. Mir kommen Bedenken, dass meine Karosserie die Belastung aushalten wird. Aber dann rutscht der Lastwagen plötzlich über die kritische Stelle und kann mit eigenem Antrieb die Böschung weiter nach oben fahren. Er ist wieder frei.

Nach getaner Arbeit.Die Freude bei den Umstehenden ist sichtlich groß. Die Helfer beginnen sogleich die Werkzeuge wieder einzusammeln und alles zu verpacken. Das Seil wird von meinem Auto gelöst. Dann machen wir noch schnell ein paar Beweisphotos. Der Lastwagen setzt weiter zurück um mir den Weg für die Weiterfahrt frei zu machen. Im L4 ist die Durchfahrt durch den tiefen Sand kein nennenswertes Problem. Auch der auf der anderen Uferseite wartende Lastwagen, der einen Teil der Helfer mit nimmt, lässt mich passieren. So hat die gesamte Aktion insgesamt nur 20 Minuten gedauert, aber sehr intensive 20 Minuten.

Übrigens ist nach dem nächsten Anlassen jene Fehlermeldung nicht wieder gekommen. Der Sensor hat scheinbar tatsächlich nur einmal wegen irgendeiner Bewegung der Karosserie während der Aktion ausgelöst. Aber eben nur einmal.

Landschaft im Nsefu Sektor.
Landschaft im Nsefu Sektor mit typischen Brandrückständen.

Die Durchquerung des Nsefu Sektors von Milyoti bis Chikwinda verläuft ohne besondere Vorkommnisse. An beiden Posten brauche ich keine Registrierung zu machen und auch keine Gebühren zu entrichten. Der Sektor sei nur ein Transitpark. Ich frage beide Male bezüglich einer Überquerung des Luangwa, und werde an die Kollegen des Luambe Nationalparks verwiesen. Um 12:55 Uhr erreiche ich mit dem Chakolwa Posten den Eingang des Luambe Nationalparks. Es ist auch hier keine Registrierung notwendig und auch keine Gebühr fällig. Auch dieser Park ist nur ein Transitpark. Ich frage erneut wegen der Überquerung des Luangwa Flusses. Da erwähnt der Angestellte irgendein Pantoon. Aber ich soll doch die Kollegen am Ausgang des Parks bei Chipuka nochmal fragen.

Ich fahre also relativ schnell in nur einer halben Stunde durch diesen kleinen Park bis Chipuka und frage dort nach. Da wird mir erklärt, dass auf halber Strecke ein Schild gewesen sei, auf dem zu einem Pantoon geführt werde. Dort solle ich abbiegen und dann könne ich dort den Fluss überqueren. Ich vergewissere mich zweimal, dass mir da auch heute geholfen werden kann. Ja, auch heute. Ich kehre also um und eile zurück bis zu dem beschriebenen Schild. Und tatsächlich, dort gibt es auch einen abzweigenden Weg. Der allerdings wird schneller abenteuerlich als mir lieb ist. Der Weg führt nahe an den Fluss heran und wirklich ins Unterholz. Hier ist sicherlich schon länger kein Auto mehr gefahren. Die beiden Spuren sind teilweise nur noch zu erahnen. Die Zweige und Äste kratzen beiderseits am Auto entlang. Ich fühle mich nicht gut dabei. Es geht mit vielen Kurven durchs dichte Unterholz. Irgendwie sieht das alles so verlassen aus. Nach zehn Minuten komme ich schließlich an dem vom GPS gekennzeichneten Ort an.

Fahrt durchs Unterholz.
Fahrt durchs Unterholz auf der Suche nach dem ominösen Pantoon. 
Fast angekommen.

Da hört der Weg auf. Ich stehe an einem steil abfallenden Ufer. Vor mir nur Sand. Neben mir nur Bäume und dichte Sträucher. Circa einhundert Meter vor mir sehe ich den Fluss. Aber wie soll ich da hin kommen? Und ich sehe da kein Schiff, keine Brücke oder irgend so etwas. Trotz Nationalpark mit wilden Tieren steige ich aus. In der Ferne erkenne ich mehrere Flusspferde. Die Böschung vor mir ist fast senkrecht und mit dem Auto nicht zu machen. Und schon gar nicht, wenn ich wieder zurück müsste. Was nun? Die Zeit drängt bereits sehr. Ich gehe etwas an der Böschung entlang. Da fallen mir links im Sand unter mir zwei parallele Bündel von abgeschnittenem Buschgras auf. Ich laufe vorsichtig dort hin. Ja, das ist wirklich abgeschnitten. Beim Zurückschauen erkenne ich, dass genau an dieser Stelle die Uferböschung weniger steil und befahrbar sein könnte.

Entlang der Büschelroute aus Buschgras geht es dann bis zur Anlegestelle.
Entlang der Büschelroute aus Buschgras geht es dann bis zur Anlegestelle.

Ich nehme allen Mut zusammen und fahre dort in die Sandbank. Hier bin ich wirklich froh über die Frontkamera. Der Wagen rutscht nur leicht. Dann fahre ich in gleicher Richtung auf der Sandbank dem Fluss entgegen. Es ist tiefer Sand, aber die Untersetzung schafft das. Nach weiteren dreihundert Metern stehe ich um 13:45 Uhr am Wasser des Luangwa. Vor mir ein klappriger Steg. Auf der anderen Flussseite gibt es ebenfalls einen Steg und im sehr steilen und hohen Ufer auch einen Weg. Die beiden Stege sind mit einem Drahtseil verbunden. Mir schwahnt schlimmes. Pantoon wird doch nicht ein ...

Mitten auf der Sandbank.Anlegestelle.

Auf der Sandbank, auf der ich und mein Auto stehen, sehe ich recht viele Vögel. Einige Antilopen. In einiger Entfernung liegen oder stehen eine große Anzahl Flusspferde. Dann entdecke ich schließlich noch ein paar Krokodile. Nach nur wenigen Minuten kommen Menschen ans gegenüberliegende Ufer. Und die machen sich auf, das Floß mit Muskelkraft am Drahtseil entlang auf meine Seite zu befördern. Das Floß besteht aus mehreren leeren Stahlfässern und zwei Brettern. Und das soll mein Auto mit einer Masse von derzeit fast 3,5 Tonnen über den Fluss tragen? Hoffentlich ist das Gewicht im Auto gleichmäßig verteilt.

Ob das mal gut geht ...
Ob das mit 3,5 Tonnen mal gut geht ...
Pantoon.
Die Konstruktion macht keinen sehr vertrauenserweckenden Eindruck. Aber es gilt schließlich:
This is Africa

Schließlich kommen die beiden Schiffer an meiner Seite an, verketten das Floß und legen zwei Bretter als Auffahrtrampe aus. Dann fahre ich den Wagen ganz langsam auf das Floss. Oh je, jedes Knacken und Ächtzen des Floßes kostet wirklich Nerven. Einer der beiden bedeutet mir eine kleine Lenkkorrektur zu machen. Und ich rolle weiter. Inzwischen kann ich vor mir nur noch Wasser sehen. Aber ich soll immer noch weiter fahren. Beim Blick aus den Seitenfenstern sehe ich nur noch den Fluss. Dann ist es genug. Die Rampen werden eingeholt und die Ketten gelöst. Es ist unglaublich und spannend und unheimlich und angsteinflößend. Schließlich hänge ich in der Wildnis vollkommen von meinem Auto ab. Dann geht es mit Muskelkraft langsam über den Fluss. Der Blick aus den Seitenfenstern ist beunruhigend.

Mitten im Fluss.
Mitten auf dem großen Fluss. Zusammen mit Krokodilen und Nilpferden.
Das gegenüberliegende Ufer.

Dann stößt das Floß am Steg gegenüber an und wird wieder verkettet. Erneut wird die Abfahrtrampe installiert. Ich steige aus und verlasse das Floß um noch ein Photo zu machen. Man verlangt 1000 Kwacha für die Überfahrt. Das erscheint mir zu viel zu sein. Aber für lange Verhandlungen habe ich jetzt weder die Zeit noch die Lust. Ich bezahle einfach, zumal sich ein bewaffneter Soldat aus dem Hintergrund heranschleicht. Ein letztes Photo und ich fahre den Wagen ganz langsam vom Floß die Böschung hinauf. Nach ziemlich genau einer halben Stunde, also um viertel nach zwei, ist die gesamte Flussüberquerung des großen Luangwa vollbracht.

Am gegenüberliegenden Ufer.
Wohlbehalten und trocken am anderen Ufer angekommen.

Der Blick auf die Uhr hat mich nervös werden lassen. Es ist später als ich mir das so ausgedacht hatte. Ich fahre also so zügig weiter wie es geht und versuche etwas Zeit gutzumachen. Das ist aber aufgrund des schlechten Weges nicht ganz so einfach. Aufgrund eines Kartenfehlers zeigt mein GPS zwar den korrekten Weg an, aber nicht die korrekte Entfernung zum Ziel. Noch will es mich rechnerisch zurück zur Hauptstadt Lusaka und dann von dort ans Ziel führen. Restentfernung daher noch 1.440 Kilometer. Ich weiß also nicht ganz genau, wie weit es wirklich noch ist. Aber, dass es noch eine ordentliche Strecke ist, ist beim Blick auf die Landkarte vollkommen klar.

Der langsame Fortschritt beginnt mich immer unruhiger werden zu lassen. Denn die Sonne steht schon tief im Westen. Ich schreibe schnell eine Nachricht an die Lodge, in der Hoffnung, dass irgendwo in der Nähe eines Dorfes oder des in der Karte verzeichneten Airstrips ein kurzer Telefonempfang möglich ist, und das Handy die Nachricht dann verschickt. Die Landschaft wechselt vom Fluss kommend von einer stark mit Bäumen bewachsenen Savanne hin zu einer immer offeneren Vegetation. Dann beginnen auch wieder die winzigen Dörfer oder besser Hüttenansammlungen. Der Weg führt nun durch hohes Gras, das bis an die beiden Spuren heran reicht. Um 15:10 Uhr erreiche ich endlich den Airstrip. Aber noch führt die Strecke weiter nach Nordwesten. Auf der Karte sieht es leider so aus, als sei die Strecke zwischen Luangwa und dem Airstrip etwa so lange wie die zwischen Airstrip und dem nördlichsten Punkt der Strecke. Es kommt Unbehagen auf. Die Häufigkeit der Ansiedlungen nimmt seit dem Airstrip weiter zu. Der Weg verändert sich jetzt hin zu einem trockenen und hart gewordenen Lehm. Ich versuche weiter Tempo zu machen und dennoch an sehr problematischen Stellen rechtzeitig langsam zu fahren.

Airstrip
Eine ersehnte Landmarke: der Airstrip.
Wer wohl hier, mitten im Nirgendwo, so eine Landepiste braucht? Da lässt sich nur sehr böse spekulieren.

Die Landschaft verändert sich neuerdings, wieder hin zu mehr Büschen und weniger offenen Flächen. Endlich erreiche ich um 16:25 Uhr die Chifungwe Plains am nördlichsten Punkt des Bogens um den South Luangwa Nationalpark. Die Strecke wird leider nicht besser. Im Gegenteil, hier in der Gegend sind einige sehr heftige Querungen von trockenen Flussläufen zu meistern. Ich befürchte noch immer, dass einer davon zu viel Wasser führen könnte. Aber nur die wenigsten enthalten noch ein Rinnsal mit Wasser. Aber die Böschungswinkel sind wirklich eine Herausforderung. In der Regel geht es mit 30 bis 45 Grad nach unten, dort erwartet einen dann ein Geröllfeld und auch der Winkel nach oben ist besorgniserregend. Beim Fahren sieht man plötzlich nur noch Himmel und bittet selbigen kein Fahrzeug entgegenkommen zu lassen. Die Vegetation ist nun sehr dicht und gleicht am ehesten einem Urwald mit viel Unterholz. Jede der Flussquerungen ist ein wenig anders. Es gibt relativ breite mit Sand. Die meisten sind aber steil und sehr steinig oder felsig. Einige liegen unangenehmerweise in Kurven. Trotz alledem sind diese Querungen mit dem Wagen sehr gut zu machen. Nur insgesamt zweimal musste ich zurücksetzen um erneut Anlauf zu nehmen.

Soweit ich das auf der Karte gesehen habe, habe ich auf der gesamten Strecke den Mutinondo nicht überquert. Vor allem hätte ich das gemerkt, weil er zur Zeit viel Wasser führt.

Ausgetrochneter Bachlauf.
Eine der unzähligen trockenen Flussläufe der Strecke.

Dann kommt mir nach einer Ewigkeit ein anderes Fahrzeug entgegen. Die beiden Insassen, vermutlich Ranger des Parks, sind sichtlich über das Treffen begeistert und fragen nach der Herkunft des Wagens. Deutschland sagt ihnen sogar etwas. Dann berichten sie, dass die schlechte Piste bald vorbei sei. Es ginge noch einen Berg hoch - eigentlich sei es gar kein Berg sondern nur eine Anhöhe - und dann beginne eine gute Piste, die man schnell fahren kann. Es gebe noch ein Gate an dem ich mich unbedingt rechts halten soll. Der linke Weg führe zurück in den South Luangwa Nationalpark. Das wäre wohl die Stelle gewesen, wo ich gelandet wäre, hätte ich den Park in Süd-Nord-Richtung durchfahren dürfen. Auf jeden Fall solle ich mir keine Sorgen machen.

Ich fahre also mit wieder gehobenerer Stimmung weiter. Die schlechten Stellen machen mir nicht mehr so viel aus. Ich fahre und fahre und erkenne schon hinter jeder Biegung das ersehnte Tor. Aber nein, wieder nur ein Schatten oder ein überhängender Ast. Die Sonne steht jetzt schon so tief, dass sie mich blendet. Zum Glück macht die Route eine leichte Biegung nach Süden, so dass die Sonne nicht mehr genau in Fahrtrichtung steht. Der Sonnenuntergang verspricht wieder wunderschön zu werden. Aber an diesen Gedanken verschwende ich nur Sekunden, und mir wird wieder bewusst, dass es bald dunkel sein wird. Jede Anhöhe die ich fahre, könnte die beschriebene und sehnlichst erhoffte Anhöhe sein. Aber nein wieder nicht. Es geht immer weiter und ich wundere mich, wo denn das Tor nun sein soll. Laut Papierkarte und GPS Position müsste ich schon längst dort sein. Ich fahre weiter, immer noch guten Mutes, dass bald die gute Piste anfangen wird.

Mitten im Busch.

Die Sonne geht unter und ich hoffe immer noch inständig, dass der gute Teil der Straße jetzt anfängt. Oder jetzt. Aber dann doch jetzt. Endlich komme ich an die vorhergesagte Abzweigung und fahre wie beschrieben den rechten Weg. Leider macht der zunächst einen schlechteren Eindruck. Aber das ist nur eine kaum erkennbare Flussbettquerung aus hart gewordenem Lehm. Danach geht es wie bisher weiter.

Es wird langsam dunkel. Die Piste ist immer schlechter zu erkennen. Ich schalte das Licht ein, aber das hilft in der Dämmerung noch nichts. Auch das Fernlicht macht keinen Unterschied. Ich fahre weiter und grüble über die Position der angeblichen Anhöhe nach. Das Fahren wird anstrengender. Durch die schlechten Lichtverhältnisse wird es immer schwieriger die Steine, Vertiefungen, Querrillen, Spurrillen und das Material zu erkennen. Außerdem kann jederzeit ein Tier vor das Auto springen. Ich fahre trotzdem unaufhaltsam weiter. Immer weiter und weiter. Noch eine Kurve und eine Flussdurchquerung. Und wieder weiter.

Kurz vor Sonnenuntergang.
Landschaft kurz vor Sonnenuntergang.

Dann sehe ich kurz vor Einbruch der Dunkelheit relativ kurz hintereinander vier Häschen, die über die Straße beziehungsweise an der Straße entlang hoppeln. Und freue mich.

Aber das was dann kommt, habe ich leider nicht vorhergesehen. Auf der Strecke bisher ist der Busch beiderseits der Strecke recht hoch und so ist das großräumige Gelände nur schwer einzuschätzen. Um 17:32 Uhr kommt die letzte Flussdurchquerung auf 690 m über Meereshöhe und damit beginnen, ohne dass ich es ahne, die wohl abenteuerlichsten und nervenaufreibendsten zwei Stunden meines Lebens.

Es ist inzwischen stockdunkel, und das Fernlicht hilft jetzt tatsächlich. Da es seit über einer Stunde schon keinen Gegenverkehr und auch keine Personen an der Piste mehr gegeben hat, stört das auch niemanden. Langsam gewöhne ich mich an die Lichtverhältnisse und kann den Untergrund immer besser einschätzen. Ich erhöhe etwas die Geschwindigkeit und schaue mit etwas Entsetzen auf das GPS und die noch lange Wegstrecke vor mir. Ich bleibe stehen und bemerke wie verspannt ich eigentlich bin und mit welcher Kraft ich das Lenkrad umfasse. Unsicherheit kommt auf, was das Richtige für diese Situation ist. Noch befinde ich mich in einem Schutzgebiet für Wildtiere. Weiterfahren ist Nachts sehr gefährlich. Zum einen wegen der schlechten Sicht und dann wegen der Tiere. Und wenn etwas passiert, sind die Möglichkeiten in der Dunkelheit sehr beschränkt. Ein Stehenbleiben im Nirgendwo, ohne den Ort vorher etwas genauer betrachtet zu haben, ist auch nicht ohne Gefahren.

Mir wird klar, dass ich den Fehler gemacht habe und nicht rechtzeitig nach einem Übernachtungsplatz Ausschau gehalten habe. Vielleicht eine der wichtigsten Lernerfahrungen bei dieser Reise. Ich weiß nicht mehr, was mir noch alles durch den Kopf gegangen ist. Aber aufgrund dessen, dass es so viel war, habe ich in dem Moment keine negativen Gefühle empfunden. Ich treffe eine Entscheidung und fahre weiter.

Nach ein paar Kilometern zeigt das GPS-Gerät plötzlich sehr starke Kurven an. Ich wundere mich noch, es hat doch bisher nicht so eine Stelle gegeben. Und dann sehe ich im Scheinwerferlicht plötzlich nur noch Steine und eine Wand vor mir. Die Spuren verwischen fast und sind kaum noch auszumachen. Es überkommt mich ein sehr ungutes Gefühl, und auch das Adrenalin steigt an. Ich werde unruhig und bleibe sofort stehen. Es ist 17:47 Uhr. Ich befinde mich auf 785 m über Meereshöhe. Mir wird schlagartig bewusst, dass dies die beschriebene Anhöhe ist. Erst jetzt. Verdammt. Dann bin ich bei weitem noch nicht so weit, wie ich gedacht hatte. Der Weg vor mir sieht aus wie ein Alptraum. Ich hatte in Vorbereitung der Reise einige Videos über Offroading im Internet angeschaut und gesehen, was man mit Geländefahrzeugen machen kann und was lieber nicht. Das, was da vor mir lag, gehört eher zur Kategorie "lieber nicht". Für die Fahrzeuge ist der Untergrund eine maximale Belastung. Bei einem Fahrfehler kann schnell einer der Antriebsstränge in Mitleidenschaft gezogen werden. Und so etwas ist, trotz der mitgebrachten 200 kg Werkzeug und Ersatzteile, mit meinen Mitteln nicht zu reparieren.

Was tun? Umkehren ist sinnlos, das sind mindestens fünf Stunden Fahrt um wieder an den Fluss zu kommen. Wild campen möchte ich lieber nicht. Das scheint mir ebenfalls gefährlich. Wer weiß schon, was und wer hier alles lebt.

Ich schalte die Untersetzung L4 zu und aktiviere das Multi-Terrain-System im Modus Felsen und Steine. Ganz langsam nehme ich den steilen Anstieg. Das Auto tut genau was es soll und folgt wunderbar meiner Lenkbewegung. Für einen kurzen Moment nimmt die Spannung ab, weil die Weiterfahrt wohl doch zu funktioniere scheint. Das Fernlicht liefert genug Licht, um eine gute Spur zu halten. Das Auto handhabt die vielen Querrillen, Überbleibsel vom letzten Regen, wo mit Sicherheit ganze Bäche mit Gewalt den Abhang hinunter gelaufen sind. Obwohl ich ganz langsam fahre, werde ich und das Auto richtig durchgeschüttelt. Es ist ein sehr unangenehmes Fahren und ich verkrampfe wieder sehr stark. Das Auto macht einen phantastischen Job, aber es ist dennoch anstrengend, unangenehm und erfordert alle Konzentration. Dann kommt die erste Kehre. Ich bemerke wie steil es an der Innenseite ist und mir wird ganz mulmig. Der Abstand zwischen dem Trampelpfad und dem Abgrund beträgt nur wenige Zentimeter. Ich werde sehr unruhig und bekomme einen Anflug von Höhenangst. Ich bin aber so konzentriert auf das Lenken, und die Sicht ist so gering, dass sie zum Glück nicht weiter zum Problem wird. Der Wagen arbeitet sich ganz langsam und voller Kraft um die steile Kurve. Zum Glück rutschen die Räder kaum. Ich muss mehr Gas geben um die steile Innenseite zu bewältigen und nicht abzurutschen. Der Wagen steht fast. Das Getriebe schreit plötzlich, und das Gelände-ABS greift lautstark ins Geschehen ein. Drei Warnleuchten im Display scheinen auf. Eine minimale Lenkbewegung nach rechts und plötzlich geht es wieder weiter. Diese Stelle ist geschafft, und die Warnleuchten erlöschen wieder.

Ich bin so froh, dass die Elektronik hier sehr präzise und schnell eingegriffen hat, als die beiden Hinterräder abrutschten. Ein unkontrolliertes Zurückrutschen in diesem Gelände hätte schnell das Ende der Reise bedeuten können. Mir steht der Schweiß auf der Stirn. Die Brille beschlägt. Das Lenkrad habe ich fest im Griff. Mit dem Affengriff natürlich, die ganze Hand inklusive des Daumens an der Außenseite des Lenkrads, denn das Lenkrad vollzieht hin und wieder einen regelrechten Tanz und dreht sich auch mal zwei volle Drehungen. Wenn dann der Daumen auf der Innenseite ist, dann tut das mindestens extrem weh.

Ich schalte das Frontdisplay auf die Anzeige der Reifendrücke. Denn bei dem rauen Gelände bekomme ich ernste Sorgen um die Reifen. Wenn hier einer beschädigt wird oder von der Felge springt, dann wird es ganz schwierig. Zum Glück zeigt das Multi-Terrain-System in der Mittelkonsole das Bild der Frontkamera und zeichnet die Stellung der Vorderräder ein. Auch das ist eine unentbehrliche Hilfe, wenn man sieht wie die genaue Radstellung ist.

Es geht langsam weiter. Die Strecke wird ein wenig flacher, um nur kurz danach wieder steiler zu werden. Laut Anzeige beträgt die Steigung nun 20%. Es ist inzwischen offensichtlich, dass dies keine Anhöhe, sondern ein richtiger Berg ist. Genau genommen handelt es sich um das gewaltige Muchinga Escarpment. Es verläuft am westlichen Rand des South Luangwa Nationalparks und gehört zu den südlichen Ausläufern des geologisch hochaktiven Afrikanischen Grabenbruchs. Der mehrere hundert Kilometer lange Geländeabbruch ist stellenweise über 900 m hoch und oft ein Steilabfall. Gleichzeitig ist diese geologische Grenze eine wichtige Wasserscheide des Kontinents. Alle Flüsse östlich davon fließen in den Luangwa und über den Sambesi in den indischen Ozean. Alle Flüsse westlich davon sammeln sich zunächst in den Sumpflandschaften des gewaltigen Bangweulu Beckens und entwässern dann über den Lake Mweru und den Lake Tanganjika in den Kongo, der schließlich in den Atlantik mündet.

Der Wagen zieht sich Meter um Meter bergauf. Noch habe ich die Hoffnung, dass die im GPS sichtbaren anderen Kehren weniger unangenehm sein werden. Laut Karte sind es insgesamt neun davon.

Das letzte Bild ...
Das letzte Bild des Tages ...
(Leider mit der Weitwinkelkamera des Handys aufgenommen. Daher geht die Dramatik der Situation verloren, und das Bild ist überbelichtet).

In dem Moment kommt mir der vollkommen absurde Gedanke, dass ich das hier Erlebte niemandem werde zeigen können. An Photos ist bei dieser Dunkelheit überhaupt nicht zu denken. Und Filmen während des Fahrens - das ist ehrlich gesagt einfach nur lachhaft. Also wird es leider keine Zeugnisse dieses ungeheuer intensiven Abenteuers geben.

Die nächste Kehre kommt und sie ist weiterhin steil. Aber ich erwische einen günstigen Winkel und meistere sie ohne weitere Schwierigkeiten. Es geht weiter bergauf. Der noch nicht ganz volle Mond geht gerade auf, und ich kann für einen Augenblick die Landschaft unterhalb meiner Position erkennen. Da überkommt mich Angst und ein Hauch von Panik. Denn die Felswand links neben mir fällt beinahe senkrecht circa 200 Meter nach unten ab. Da ist vielleicht noch ein guter Meter Abstand. Da steigt langsam Verzweiflung in mir auf, und ich spüre die Panik im Anflug. Wer weiß, ob der Weg überhaupt zum Ziel führt und wer weiß, ob der Weg überhaupt bis zum Ende befahrbar ist.

Ich drücke aufs Gas und mir wird klar, dass ich hier noch nicht einmal aussteigen könnte. Aber dann kommt wieder Vegetation neben mir, versperrt die Sicht, und der Pulsschlag beruhigt sich ein bisschen. Ich fahre weiter aber die Spur wird immer schlechter. Immer größere Brocken liegen im Weg, und die Pflanzen kommen auch immer näher an den Pfad heran. Immer wieder schrammen Äste und Zweige am Auto. Und noch halten die Reifen ihren üblichen Druck. Und noch scheint das Auto unbeschädigt. Es geht weiter bergauf. Dann erkenne ich im Scheinwerferlicht eine flachere Stelle und erhoffe das Ende des Anstiegs erreicht zu haben. Leider hält die Hoffnung nur kurz und es geht in die nächste Kehre. Das Gelände ist nun wie unberührte Natur. Hier ist sicherlich schon lange kein Fahrzeug mehr gefahren. Das schürt die Befürchtung irgendwie falsch gefahren und vom richtigen Weg abgekommen zu sein. Aber meine Position liegt laut GPS exakt auf der Route. Die Kehre ist relativ eng, die Felsen sind groß und recht spitz. Die beiden Querrillen vor mir bringen mich an den Rand meines Mutes. Für einige Millisekunden möchte ich einfach stehenbleiben, die Augen schließen und einfach bis Morgen warten, zur Not im Fahrersitz. Der ist schließlich gar nicht so unbequem.

Aber nein, Aufgeben gibt's nichts. Also weiter. Langsam und unaufhaltsam klettert der Wagen weiter und ich verspüre eine kurze Zeit lang Erleichterung als die Kehre geschafft ist. Es geht weiter. Ich muss bereits 300 Höhenmeter überwunden haben. Aber es geht immer noch weiter nach oben. Aber zum Glück folgen einige relativ flache Meter. Dann kommt eine sehr enge aber flache Kehre aus Sand. Ich hege wieder Hoffnung, das schlimmste Teil überstanden zu haben, und gebe etwas mehr Gas.

Nicht lange und die Strecke wird wieder sehr felsig und wieder steiler. Der Wagen kriecht nur noch langsam den Weg hinauf. Die Felsen sehen unangenehm und schroff aus. Es ist eine Tortur für mein Auto und mich. Ich mache mir mehr und mehr ernste Sorgen um die Reifen und die Stoßdämpfer. Hin und wieder rutscht einer der Steine oder Felsen weg. Dann greift wieder die Elektronik ein. Der Dschungel um mich herum ist zwischenzeitlich vollkommen verwildert. Alles im Auto rumpelt unaufhörlich, aber jetzt beginnt irgendwas am Auto zu quietschen. Ich fange an zu fluchen. Es kommen immer noch drei Kehren, und der Weg ist wirklich nur noch querfeldein. Fast vollkommen unberührte Wildnis an diesem sehr steilen Bergabhang. Meine Gefühlslage ist nicht zu beschreiben. Irgendwo zwischen Angst vor einem Unfall, Sorge um das Auto und insbesondere die Reifen, Mut einfach weiter zu fahren, Hoffnung den Campingplatz noch zu erreichen, etwas Panik in den Abgrund zu stürzen und einer Jetzt-aber-erst-Recht-Stimmung.

Da kommt eine Stelle mit einem großen Felsen mitten im Weg und keiner Ausweichmöglichkeit. Meine Aufmerksamkeit ist wieder voll beim Fahren. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mittig darüber zu fahren und meine Bodenschutzbleche sehr heftig in Anspruch zu nehmen. Das wird eine ordentliche Schramme. Aber dafür sind sie ja da. Zum Glück ist die Berührung nicht ganz so schlimm wie befürchtet. Es geht weiterhin bergauf und es steht wieder eine Kehre an. Dann greifen die Bremsen. Die Lenkung wird mir aus der Hand gerissen. Die Warnleuchten gehen an. Ich steige instinktiv voll in die Eisen. Der Wagen bleibt sofort stehen. Ein Tier? Ein übersehener Felsen? Defekter Reifen? Oder ein Elektronikfehler? Ich kann absolut nichts erkennen.

Ich versuche mich in der Umgebung zu orientieren. Der Wagen steht nur ganz leicht schräg zum Pfad. Also ausreichend Abstand zur Absturzkante. Ich rolle ganz vorsichtig einige Zentimeter zurück, kann aber weiterhin keinen Grund entdecken. Die Frontkamera zeigt nichts Ungewöhnliches. Ich stehe auf der Bremse. Die Reifendrücke sind OK. Öldruck und Motortemperatur sind normal. L4 ist immer noch aktiv. Ich lenke etwas nach rechts und gebe wieder Gas. Alles ist wieder gut. Wahrscheinlich nur ein übersehener Stein. Aber sowas kostet in der hoch angespannten Situation viel Nerven. Viel mehr als objektiv notwendig.

Die neunte und letzte Kehre ist die schlimmste von allen. Sie ist so steil und so steinig und uneben. Ein regelrechter Alptraum. Als ich sie im Fernlicht kommen sehe, kommt wieder Verzweiflung auf. Nicht wissend, wie lange diese Tortur noch anhält, schreie ich laut und gebe Vollgas. Das Lenkrad wird heftig hin und her gerissen und alles im Auto fliegt durcheinander. Es quietscht und scheppert und ist einfach nur ein Riesenchaos. Es fühlt sich an als gehe alles nur noch in Zeitlupe. Aber der Wagen schafft die Steigung, klettert selbstbewusst Meter um Meter voran. Er kippt nicht und rutscht nicht zur Seite weg, sondern hält die vorgegebene Lenkrichtung relativ präzise ein. Und da kommt schon die Kuppe. Endlich. Und dann ist plötzlich alles ruhig.

Der Motor tuckert leise vor sich hin. Ich stehe auf ebener Fläche. Vor mir eine gerade und gute Piste, jedenfalls im Vergleich zu bisher. In der Ferne sehe ich ein Licht.

 

 

Ich atme tief durch. Dann fahre ich langsam auf das Licht zu und erkenne im Licht der Scheinwerfer eine Schranke. Das ist das lang ersehnte Gate. Unglaublich. Ich habe es endlich geschafft. Ich halte davor an. Ich bin jetzt auf einer Höhe von 1460 Metern. Eine Schar Kinder rennt um das Auto herum. Es dauert lange bis ein Erwachsener kommt. Aber das einzige was der möchte, ist mitgenommen werden. Ich verneine aus Prinzip, und vor allem in der Nacht. Es dauert etwa fünf Minuten bis ein Mann mit dem üblichen Register kommt. Ich trage meine Daten ein. Da erzählt er mir, dass seit zwei Jahren kein Auto mehr über diese Strecke gekommen ist. Zweiundzwanzig Monate bestätigen auch die letzten Einträge im Register.

Ich frage nach der Straßenqualität bis Mpika. Ja, die sei sehr gut. Aber da gäbe es noch ein Problem. Zwei Personen sollen zur großen Straße gebracht werden. Ob ich denn nicht die drei dorthin mitnehmen könnte. Ich verneine erneut. Ja, aber die vier würden auch keine Probleme machen. Es bleibt bei meinem Nein. Ich sage ihm, dass es bereits tief in der Nacht ist und ich keine Menschen mitnehme. Dann kommt ein anderer Erwachsener in grüner Uniform heran. Was ich denn für ihn habe. Ich entgegne ihm "nichts". Ja, aber ich müsse doch etwas Geld für ihn haben. Der andere Mann hat zum Glück derweil die Schranke geöffnet.

Mir wird das ehrlich gesagt langsam zu bunt. Schon wieder sind zehn Minuten vergangen. Ich gebe dem neben mir stehenden Uniformierten eine Schachtel Kekse und sage ihm, das dies das einzige sei, was ich habe. Dann fahre ich langsam los. Nach Verlassen der Häuseransammlung gebe ich Gas. Die Piste ist objektiv betrachtet zwar nicht gut, aber fühlt sich herrlich an. Ich beschleunige auf circa 60 km/h und brettere der Hauptstraße T2 entgegen. Mehrfach gibt es recht kurze, nur ungefähr 50 m lange, Umleitungen. Die Strecke wird anscheinend derzeit renoviert, und man hat mit den Bachüberquerungen begonnen.

Um 19:30 Uhr erreiche ich tatsächlich die Great North Road T2. Von hier sind es immer noch 60 km und es ist stockdunkel. Ich bin wirklich müde. Schalte die Musik laut an und mache das Fenster für die kalte Luft auf. Es wird etwas besser. Es hat noch immer einen recht ordentlichen Lastwagenverkehr. Immerhin ist diese Straße großteils asphaltiert. Aber der Streckenabschnitt ist schlecht und voller gefährlicher Schlaglöcher.

Irgendwo in der Mitte muss ich eines dieser tiefen Monster bei hoher Geschwindigkeit übersehen haben und es scheppert und kracht mächtig. Ich schaue sofort auf den Reifendruck, der aber bleibt zum Glück unverändert. Ich atme auf und geselle mich vorsichtig hinter einen langsam fahrenden Lastwagen. Er weicht den schlechten Stellen sehr konsequent aus, und so komme ich zwar langsam aber ohne weitere Vorfälle um viertel nach acht an den Abzweig nach Mutinondo. Die letzten 25 km bis zum Campingplatz sind eine private Piste.

In der Zwischenzeit hat Lari, die Campbesitzerin, zurückgeschrieben und bestätigt, dass meine späte Ankunft für sie kein Problem ist. Um neun Uhr erreiche ich endlich die Rezeption und treffe dort Lari. Sie zeigt mir zunächst zu Fuß das Camp und weist mir einen Platz zu. Erst um 21:25 Uhr steht mein Auto an unserem Übernachtungsplatz und ich kann mit dem Aufbau des Dachzeltes beginnen.

Lari lädt mich netterweise noch zum Dinner ein. Das erspart mir nach diesem anstrengenden Tag doch einiges an Arbeit. Während des leckeren Abendessens erzähle ich von meinen heutigen Erlebnissen. Um elf Uhr nachts versinke ich totmüde in meinen Schlafsack. Zum Glück habe ich zwei Decken dabei, denn es wird heute Nacht verdammt kalt. Das Thermometer, hier auf 1545 Metern, zeigt nur noch 3 °C.

 

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Comments

Eva Maria

Sa., 31.07.2021 - 20:38

Der Titel ist sehr passend. An dem Tag hast du ja sehr viel spannendes erlebt. Super, dass dein Auto die Strapazen so gut mitmacht.

Du schreibst, dass du am Ende des Tages Dinner mit Lari gegessen hast. Was gibt es denn landestypisch? Ist es sehr fleischlastig?

Kommt bei dir unterwegs auch die schnelle Küche wie Ravioli aus der Dose auf den Tisch?