Sonntag, 18. Juli 2021 (Fortsetzung)
Leider kann ich heute nicht auf die Sonne in der Schlucht warten, da ich eine sehr lange Fahrt von fast 500 km bis Lusaka vor mir habe. Die Temperatur erreicht 22 °C und es bleibt den ganzen Tag über leicht bewölkt. Immerhin wird morgen endlich mein Stoßdämpfer repariert. Aber noch muss das Zelt trocknen. Daher erfolgt die Abfahrt erst um kurz nach 9 Uhr. Es ist eine wirklich lange Fahrt entlang der T2 über Serenje bis Lusaka. Sie verläuft zum Glück insgesamt ohne größere Vorkommnisse. Mir fallen auf dem Weg ein paar interessante Geländeformationen auf. Aber auf den Bildern kommen sie leider gar nicht so rüber. Ich überquere mehrmals eingleisige, nicht elektrifizierte Eisenbahnstrecken, deren letzte Nutzung angesichts der Rostansätze schon einige Zeit her sein könnte. Es gibt sehr viele Unfälle auf der Strecke, vor allem mit Lastwagen. Überall sieht man liegen gebliebene Fahrzeuge. Die Strecke wird dann davor und danach mit Ästen auf der Straße markiert. Die Route führt relativ nahe an der kongolesischen Grenze vorbei. Und schon wieder bekomme ich eine SMS von der Telekom - Willkommen in der Demokratischen Republik Kongo. Etwas voreilig.
Bis Serenje ist die Straße ganz in Ordnung, nur ein paar vereinzelte Schlaglöcher. Auf der gesamten Strecke fällt die zunehmende Menge an Müll auf, der überall herumliegt. Glas, Bauschutt, Kunststoffe, Metall. Ganz besonders schlimm ist es in den Dörfern und deren Umgebungen. Dort stehen Ziegen im Müll und fressen. Auf einigen der Müllansammlungen klettern Kinder herum und suchen nach einzelnen Bestandteilen, wahrscheinlich Kunststoffflaschen. Das wäre doch mal der richtige Ferienaufenthalt für zu verwöhnte oder wohlstandsverwahrloste europäische Kinder, oder? Viele der Müllansammlungen brennen. Das entspricht anscheinend der afrikanischen Mentalität. Was nicht gebraucht wird, wird irgendwann einfach angezündet. Ähnlich zum Beispiel bei den kürzlichen Aufständen in Südafrika. Dort wurden die Geschäfte und Lastwagencontainer geplündert. Aber was nicht nützlich zu sein schien, wurde einfach angezündet. Die Brände am Straßenrand sind aufgrund des Gestanks sehr unangenehm. Und dann fallen mir die vielen Tanklastwagen mit Diesel und Benzin auf. Große Sicherheitsaufkleber auf den vollen Aufliegern. Aber es wird direkt neben solchen Feuerstellen geparkt. Auch das ist TIA - This Is Africa.
Von der T2 Hauptstraße zweigt etwa 150 km vor Lusaka die T3 Richtung Copper Belt im Nordwesten von Sambia ab. Nach der Abzweigung ist die Strecke verkehrstechnisch ein wahrer Alptraum. Kaum Schlaglöcher, aber über weite Strecken circa 10 cm tiefe Spurrillen und ein extrem dichter, fast stehender Verkehr, vor allem Lastwagen. Die große Mehrheit der Lastwagen pendelt zwischen Lusaka und dem Copper Belt. Viele sind mit "abnormal load" gekennzeichnet und transportieren gewaltige Minenfahrzeuge oder Bauteile davon in den Norden.
In dieser Gegend fallen mir einige große Landwirtschaftsbetriebe auf, die scheinbar gut geführt werden, und wo die Felder systematisch und ordentlich bestellt werden. Und dann dazwischen wieder viele typisch afrikanische Farmen, wo man es einfach laufen lässt und die Menge an Feldfrüchten eher marginal zu sein scheint. Naja, bei einer Bevölkerung von 1.4 Milliarden Afrikanern sollte man die wenigen fruchtbaren Böden schon möglichst gut ausnutzen, um die Masse an Menschen zu ernähren. Viel afrikanische Schlamperei kann man sich da nicht erlauben, wenn man so viel Wert auf seine Unabhängigkeit legt wie die Afrikaner. Dann fallen mir noch einige große Fischfarmen auf. Etwas, das ich in dieser Gegend nicht erwartet hatte. Aber das könnte mit Aussagen von Einheimischen aus dem Norden von Sambia ganz gut zusammenpassen, wonach viele sambische Seen heillos überfischt sind, und die Fischbestände sehr stark dezimiert wurden. Ich sehe noch eine gigantische Plantage mit angeschlossenem Betrieb für Palmöl. Eine zweifelhafte Anbaugegend für diese Pflanze. Und dann komme ich an einer chinesischen Seidenfarm vorbei. Das überrascht dann doch sehr, weil die Chinesen bisher auf ihre Seidenproduktion nichts haben kommen lassen. Die waren fast schon Staatsgeheimnis. Und dann sowas ausgerechnet in Afrika? Wirklich interessant. Dann aber wieder typisch chinesisch, sehe ich mehrere chinesisch-afrikanische Firmen, die Getreide aufkaufen und verarbeiten.
Beim Durchfahren schaue ich mir die Stadt Lusaka genauer an. Es ist eine turbulente und geschäftige Stadt. Sie wird von zwei großen Stadtautobahnen durchkreuzt. Ein wirkliches Stadtzentrum entdecke ich nicht. Aber das Regierungsviertel könnte man als Zentrum gelten lassen. Es gibt nur wenige hohe Gebäude. Wohnhäuser, Geschäftshäuser, Einkaufszentren und Werkstätten sind nicht wirklich voneinander getrennt. Die Stadt scheint in ihren Strukturen sehr kleinräumig organisiert zu sein. Verkehrsschilder und Ampeln haben hier eher informativen Charakter. Gefahren wird, wie es gerade geht. Und ehrlich gesagt, gefällt mir das doch ganz gut. Denn massive Frontstoßstangen sorgen hier mehr oder weniger automatisch für Vorfahrt. Aber Vorsicht, es gibt eine erstaunliche Anzahl von automatischen Radarfallen. Wobei ich jetzt nicht prüfen wollte, wie viele davon überhaupt funktionstüchtig sind. Auf jeden Fall komme ich beim letzten Rest Abenddämmerung bei meiner Unterkunft an.
Dann die Überraschung. Der Reisebus mit meinem Ersatzstoßdämpfer ist gestern nicht abgefahren, weil die Unruhen in Südafrika noch immer zu heftig sind. Stattdessen wird er erst am Dienstag losfahren und könnte im besten Fall am Donnerstag in Lusaka sein. Das ist natürlich keine schöne Nachricht. Dann werde ich die Tage eben in Lusaka bleiben. Ich habe wirklich genug zum Lesen dabei, und besonders viel bin ich bisher noch nicht dazu gekommen. Aber etwas wurmt es mich doch. Schließlich hätte ich noch ein paar Tage in Mutinondo oder Kundalila verbringen können. Und nach der Reparatur zurückfahren? Das würde im Prinzip gehen, ich müsste allerdings wegen der geringen Restlaufzeit meines Double Entry Visums für Sambia, das Land kurzzeitig verlassen und wieder einreisen. Für mich kommen da nur die Grenzen nach Tansania, Botswana oder Namibia in Frage. Kongo ist mir zu gefährlich und die Grenzen von Zimbabwe, Malawi und Angola sind weiterhin geschlossen. Das wäre ein hoher Fahraufwand und auch nicht ganz billig. Ohne Covid-Test geht das sowieso nicht. Bei dem Versuch eine Verlängerung zu bekommen, bin ich in Lusaka komplett gescheitert, weil es eben ein Double Entry Visum ist.



Montag mit Donnerstag, 19. - 22. Juli 2021
Vier Ruhetage am Stück. Das tut wirklich gut. Ich bin hier gut versorgt und komme jetzt endlich auch mal dazu, etwas zu lesen. Aber auch Wäsche waschen ist dringend angesagt. Ansonsten sitze ich über meinen Karten und mache Pläne für den weiteren Verlauf meiner Expedition. Es fällt mir gar nicht so einfach, die Abenteuer im Rückblick richtig zu bewerten, und mir darüber klar zu werden, was mir davon nun letztendlich Spaß gemacht hat und was ich lieber vermeiden möchte.
Im Laufe des Montags werde ich leider Opfer von einer zunehmenden Schar von Moskitos. Ich bin schon ordentlich gestochen worden, bevor ich die üblichen Gegenmaßnahmen treffe. Und verdammt, es juckt...
Freitag, 23. Juli 2021
Nun ist der große Tag gekommen. Ich fahre morgens zu S15° 24' 12.0" und E28° 15' 59.0". Typisches, afrikanisches Innenstadt-Chaos. Ich komme kaum voran. Stecke im dichtesten Verkehr. Und irgendwie geht es doch. Die Ampeln werden jetzt völlig ignoriert. Überall Menschen, Fahrräder, Mofas und Autos. Völlig chaotisch ineinander verkeilt. Die Fahrspuren haben keine Bedeutung. Ständig kommt jemand ans Auto und möchte mir etwas verkaufen. Die Fahrt dauert gefühlt eine Ewigkeit. Aber ich lasse mich davon nicht aus der Ruhe bringen. Mit erstaunlichen zwei Minuten Verspätung komme ich um neun Uhr an der Werkstatt MacFarlanes an. Dwayne, der Chef, kommt mir gleich entgegen und spricht mich mit Namen an. Führt mich herum und zeigt mir stolz seine Werkstatt. Er beschäftigt circa 50 Angestellte und die arbeiten parallel an zwanzig Autos und Lastwagen.
Der neue Stoßdämpfer kam mit einem Reisebus heute morgen aus Johannesburg in Lusaka an. Er wird in einer halben Stunde gebracht. Super, endlich mal gute Nachrichten. Dwayne lässt einen anderen Wagen aus der Werkstatt fahren. Ich bringe mein Auto dorthin. Dann wird er aufgebockt. Die Vorderräder abmontiert und der beschädigte Stoßdämpfer ausgebaut. Gleichzeitig demontiert ein anderen Mitarbeiter die Bodenschutzbleche. Ein dritter macht sich an den Ölwechsel. Er tauscht auch gleich alle Filter und Dichtungsringe, die ich als Ersatzteile mitgebracht habe. Also Öl-, Treibstoff- und Luftfilter.
Dann kommt endlich das Paket aus Johannesburg an. Aber da ist kein Stoßdämpfer für mich dabei. Wie bitte? Dwayne telefoniert. Inzwischen ist der schadhafte Stoßdämpfer ausgebaut und liegt am Boden. Er ist vollkommen verstaubt. Am besagten Dichtungsring erkenne ich als Laie nichts. So zerlegt sieht mein Auto wirklich traurig aus. Dann kommt ein Taxi auf den Hof gefahren und bringt ein zweites Paket mit meinem neuen Stoßdämpfer. Das erste Taxi hatte nicht genug Platz für beide Pakete.
Wow, sieht der Neue schön sauber aus. Im direkten Vergleich können wir erkennen, dass es der gleiche Stoßdämpfer ist. Wir prüfen noch die Härteeinstellungen, auch die sind gleich. Dann geht es an den Einbau. Der ist sehr kraftaufwendig, weil alle Bauteile am Fahrzeug ordentlich dimensioniert und entsprechend schwer sind. Drei Mann sind notwendig, den Stoßdämpfer in Position zu bringen. Auch weiterhin schaut Dwayne regelmäßig vorbei, treibt seine Mitarbeiter an und korrigiert vielfach. Nach und nach werden die gesammelten Schrauben auch wieder verbaut. Die Montage der Unterbodenbleche ist recht langwierig. Dwayne lässt die Schrauben zusätzlich verkleben, da sie seiner Erfahrung nach oft verloren gehen. Am Ende ist alles wieder verbaut und nichts ist übrig geblieben. Sogar die biegsame Zuleitung vom Ölvorratsbehälter zum Stoßdämpfer sitzt perfekt und schrammt nicht an einem der Sensoren - das war ursprünglich ein Mangel beim deutschen TÜV.
Dwayne telefoniert nochmal mit Johannesburg wegen der Einstellung der vorderen Dämpfer. Aufgrund des hohen Gewichts der Stoßstange und der Seilwinde stellen wir die Stoßdämpfer weicher ein. Dadurch wird auch der Rebound bei schweren Schlägen sanfter. Der Austausch des Stoßdämpfers kostet mich nichts. Das geht auf Garantie. Meine Stoßdämpfer sind das Top-Modell des Herstellers und darauf geben sie 100.000 km Garantie. Auf dieses Modell sind sie mächtig stolz, und da lassen sie nichts drauf kommen.
Die Rechnung für den Service begleiche ich natürlich. Leider funktioniert auch hier das Kreditkartengerät nicht und so bezahle ich in Bar. Aber erst, nachdem ich mich per Taxi zu einem Geldautomaten habe bringen lassen. Dort habe ich dreimal hintereinander den maximalen Betrag abgehoben. Das hat erstaunlicherweise ohne Probleme funktioniert und wurde schließlich auch korrekt abgerechnet.
Dwayne hat für einen anderen Kunden und mich noch etwas zum Mittagessen bestellt. Wir unterhalten uns über die Situation in Südafrika, über Corona und über die Notwendigkeit in Afrika jede Arbeit kontrollieren zu müssen. Ich mache mich auf den Rückweg durch die Stadt. Der Verkehr ist jetzt beinahe normal. Dann tanke ich noch schnell auf.
Samstag, 24. Juli 2021
Eigentlich wollte ich heute in den Blue Lagoon Nationalpark fahren. Aber wie ich schon in den letzten Tagen immer häufiger zu hören bekomme, gibt es keine freien Plätze mehr. Der lokale Tourismus scheint vor allem am Wochenende wieder Fahrt aufzunehmen. Auch in Botswana und Namibia wird das Buchen für mich immer schwieriger, weil die günstigen Übernachtungsmöglichkeiten von Südafrikanern und Einheimischen weg gebucht worden sind oder werden. Also lege ich nochmal einen Ruhetag ein und vervollständige sicherheitshalber meine Buchungen und bekomme die letzten Bestätigungen.
Es geht ein ordentlicher Wind und es bleibt sehr kühl. Also sitze ich im Winteranorak vor meinem Auto. Aber der Wind und die niedrigen Temperaturen haben einen entscheidenden Vorteil. Es gibt kaum noch Moskitos, Mücken und Fliegen.
| Vorhergehender Beitrag | Übersicht | Nächster Beitrag |