Samstag, 13. Januar 2024
Abfahrt heute morgen um 08:30 Uhr mit einem nagelneuen Bus. Es steht unsere Weiterfahrt nach Hội An ("friedliches Dorf") über den Đèo Hải Vân (Hai-Van- oder Wolkenpass) an. Der Wolkenpaß, der Name bedeutet in Vietnam soviel wie "Ozean und Wolken", bildet die natürliche Grenze zwischen Nord- und Südvietnam und ist gleichzeitig eine Wetterscheide. Die Fahrtstrecke über den Paß beträgt 140 km, durch den neuen circa sechs Kilometer langen Tunnel 120 km.
Noch befinden wir uns nördlich des Wolkenpasses, und es ist stark bewölkt. Von den herannahenden Bergen sehen wir kaum etwas. Also erzählt unser Reiseleiter ein wenig von der vietnamesischen Kultur, er berichtet zunächst über das Heiraten. Traditionell waren Hochzeiten arrangiert und Paare durften vor der Heirat nicht zusammenziehen und mussten jungfräulich sein. Als Hintertüre konnte das Paar bei einem ersten Zusammentreffen die Heirat aber ablehnen. Ansonsten trafen sich dann die beiden Familien vor der Hochzeit und arrangierten die Feierlichkeiten, besprachen die Kosten und machten die Feier dem Paar zum Geschenk. Nach der Hochzeit zog die Ehefrau mit ihrem Mann zu den Schwiegereltern. Daher galten Jungen früher als zehnmal so viel wert wie ein Mädchen.
Seit der Öffnung des Landes wurde vieles offener und verändert, interessanterweise vor allem beeinflusst durch Filme aus (Süd-)Korea. Inzwischen ziehen frisch verheiratete Paare in eine eigene Wohnung, wobei die Familie des Jungen alles bezahlen muß. Das hat zu einem deutlichen Wandel im Werteverständnis von Mädchen und Jungen geführt. Im Norden Vietnams wird im Schnitt im Alter von 24 - 26 Jahren und im Süden von 28 - 33 Jahren geheiratet. Die Heirat wird behördlich eingetragen und das Paar erhält ein Zertifikat. In Vietnam gilt zwingend die Monogamie, und es gibt Scheidungen, diese sind aber eher geächtet, weil neben dem Paar selbst auch immer zwei Familien involviert sind.
Der erste Berg, den wir sehen, ist der Elefant Mountain, und er ist völlig in Wolken gehüllt. Unser Reiseführer erzählt uns, wie es in Vietnam in der Regenzeit aussieht. Diese ist im Norden Vietnams von Juni bis September, in Zentralvietnam im September und Oktober und in Südvietnam von Mai bis November. Dann ist es deutlich wärmer und schwüler. Es kommt häufig zu typischem Monsunwetter also zu starken Wolkenbrüchen in den Nachmittagsstunden. Immer wieder kann ein Dauerregen auch über mehrere Tage und Wochen anhalten. Dabei kommt es oft zu Überflutungen. Da ist es hilfreich, daß viele alte Gebäude auf Stelzen gebaut sind und die Reispflanze mit den überschwemmten Feldern gut zurecht kommt.
Wir erreichen ein Gewässer, das zunächst nach einem See aussieht, sich dann aber als Lap An Lagune herausstellt. Im Hintergrund der in dichte Wolken gehüllte Hai-Van-Paß. Hier hat unsere Route die näheste Entfernung zum Meer. Der ursprünglich getrennte See ist mit einer Meeresbucht verschmolzen und enthält eine Mischung aus Süßwasser von den Bergen und Salzwasser vom Meer. In der Bucht werden im großen Umfang Austern an Reifen von Fahrrädern und Mofas gezüchtet. Immer wieder fahren Kühltransporter vor und nehmen Kisten voller Austern mit. Die ganze Szene hat leider wenig mit den Vorstellungen einer schönen und romantischen Lagune zu tun. Als wir dort sind, bietet der Hintergrund wegen der tiefen Wolken wenig Kulisse und der Vordergrund bietet wegen des Niedrigwassers und des geschäftigen Treibens am Ufer eher die Stimmung eines Industriehafens.
Dann geht es über den Paß, oder besser gesagt darunter hindurch. Der Berg ist völlig in Wolken gehüllt, und die Paßstraße verschwindet im Nebel. Deswegen nehmen wir kurz entschlossen den langweiligen Tunnel. Die weitere Strecke jenseits des Passes führt durch eine saftig grüne Landschaft, zunächst eher bergig, dann hügelig und schon relativ bald wieder flach. Im gleichen Maße verändert sich auch die Landnutzung von völlig unberührt bis hin zu intensiv landwirtschaftlich genutzt. Wir durchfahren Đà Nẵng, eine moderne Touristen- und Geschäftsstadt. Die Drachenbrücke ist eines ihrer Wahrzeichen, jeden Sonntag wird die Brücke abends ab sieben Uhr gesperrt und ab acht Uhr ein Feuerspiel entflammt. Der Ort war im Krieg ein wichtiger Luftwaffenstützpunkt der Amerikaner. In den Höhlen und Bunkern waren ihre Flugzeuge versteckt.
Wir legen einen kurzer Halt an einem ATM (Geldautomaten) ein. Die linke Maschine war außer Betrieb. Aber die rechte funktionierte bei mir einwandfrei. Aber danach war sie scheinbar leer und keiner konnte mehr etwas abheben. Das ist natürlich schon blöd, weil einen alle anderen Gruppenmitglieder irgendwie schief anschauen. Wir machen einen kurzen Abstecher zum Bahnhof und können die vor zwei Tagen im Nachtzug vergessene Reisetasche einer Mitreisenden wieder an uns nehmen. Es folgte eine kurze Weiterfahrt nach Hoi An.
Hier in Hoi An ist es deutlich wärmer, aber dafür auch sonniger. Es ist nicht wolkenfrei, denn in großer Höhe sind noch dünne Wolken zu erkennen. Die Gründung von Hoi An durch das Volk der Cham geht in das 4. Jahrhundert zurück. Mit deren Rückzug verlor die Stadt zunächst an Bedeutung bevor sie temporär um 1600 Teil des Khmer Reiches wurde. Unter den Nguyen-Fürsten von Mitte des 16. bis Ende des 18. Jahrhunderts erlebte sie eine Blütezeit. Während deren Herrschaft wurde der Hafen für das Ausland geöffnet und es siedelten sich Händlerfamilien aus China und Japan an. Der Hafen und die Stadt entwickelten sich zu einem häufig genutzten Halt auf den Handelswegen, die Teil der Seidenstraße waren. Nach der Vertreibung der Japaner wurde der Ort lange Zeit auch Umschlagplatz für die Europäer für Schmuck und Juwelen, Seide und Kleidung. Noch heute ist die Stadt ein beliebtes Handelszentrum und für seine hervorragenden Schneider bekannt.
Zum Thema Preise lautete der Rat unseres Reiseleiters: wenn man einkauft, dann muss man handeln - bis zu 10% bei professionellen Herstellern/Schneidern und bis zu 40% bei Händlern. Eine beachtliche Spanne und ein guter Hinweis. Wir besprechen kurz unseren heutigen Nachmittagsausflug in die Altstadt und unser morgiges Programm. Da es erst kurz nach ein Uhr ist, haben wir jetzt knapp zwei Stunde Zeit unser Zimmer zu beziehen und das Hotel zu erkunden. Pünktlich zum verabredeten Zeitpunkt steht ein elektrischer Kleinbus vor dem Hotel um uns in die Nähe der Altstadt zu bringen. Sie ist in zwei Ringe aufgeteilt. Der äußere Ring ist für alle Kraftstoff betriebenen Fahrzeuge verboten, allerdings für Elektrofahrzeuge erlaubt. Der innere Ring ist für jegliche motorisierten Fahrzeuge - also auch Taxis - gesperrt.
Die alte Stadt ist sehr schön, aber auch recht überlaufen, denn es gibt viel zu viele Touristen, vor allem aus Australien und Asien. Unser erster Anlaufpunkt ist das Restaurant Noodle House direkt am Flussufer. Es bietet alle bekannten Nudelspezialitäten aus ganz Vietnam. Es gibt - wie oft in Asien - viele Gerichte für jeweils mehrere Personen, in dem die verschiedenen Spezialitäten zum Probieren für jeden gereicht werden. Allesamt sind ausgesprochen lecker. Von dort wandern wir etwas durch die Altstadt. Sie ist im Großen recht ansehnlich und vermittelt ein gutes Gefühl, wie es früher in vietnamesischen Städten ausgesehen hat und wie sich das Leben dort gestaltete. Bei genauerem Hinsehen, sieht man natürlich schon die Auswirkungen der hohen Luftfeuchtigkeit an den Gebäuden und die jetzt nicht gerade altstadtgerechten Kabelsalate an so mancher Kreuzung. Aber das Flaire stimmt dennoch.
Wir beginnen unseren Spaziergang an der Uferpromenade und biegen dann irgendwann in eine der engeren Gassen. Von der berühmten Japanischen Brücke, die auch auf der 20.000 Dong-Note gedruckt ist, sehen wir leider nichts. Denn die Brücke wird derzeit umfangreich saniert und restauriert und ist völlig eingehüllt. Wir laufen am Green Mango Restaurant vorbei und besuchen die gegenüber liegende Schneiderei Jady. In deren gesamten Erdgeschoß befinden sich die Verkaufsflächen und Kabinen zum Anprobieren, außerdem die diversen Möglichkeiten zum Maßnehmen inklusive eines topmodernen 3D-Körperscanners. Der Betrieb hat 300 Mitarbeiter an drei Standorten. In der oberen Etage liegt die eigentliche Schneiderei. Wir dürfen die Räumlichkeiten besuchen und den Angestellten bei der Arbeit zusehen. Die Arbeitsschritte wie Vermessen, Zuschneiden, Vernähen und die Endfertigung sind klar von einander getrennt. Die Arbeitsplätze sind entsprechend unterschiedlich eingerichtet, und die Tätigkeiten sind entsprechend Erfahrung und Können aufgeteilt. Es geht sehr geschäftig zu, aber es herrscht keine Hektik.
Als nächstes besuchen wir die Chinesische Pagode in der Nähe. Sie entspricht in ihren Außenanlagen und im Aufbau den typischen Vorbildern aus China. Schon an der Innenseite des Eingangstors hängen Räucherstäbchen von der Decke. Sie sind spiralförmig, riesig und vollführen mehrere Umdrehungen. In ihrer Mitte hängt jeweils an einem dünnen Faden ein kleiner Zettel mit den Wünschen des Spenders. Mit diesem Besuch beende ich den heutigen Tag recht früh.
Sonntag, 14. Januar 2024
Abfahrt heute um 08:30 Uhr mit dem Fahrrad. Zunächst fahren wir auf kürzestem Weg durch dichten Stadtverkehr aus der Stadt aufs Land. Die Benutzung der "falschen" Straßenseite geht bei uns allen recht schnell in Fleisch und Blut über. Aber das Gedränge der vielen Roller, Mofas und Autos auf der Straße verlangt schon viel Konzentration. Kaum aus der Stadt werden die Straßen und Wege beinahe leer und das Fahren sehr angenehm. Unser erster Anlaufpunkt liegt auf einer Flußinsel auf der 170 Familien leben. Normalerweise würden wir hier Reisanbau erwarten, aber das Wasser ist salzhaltig und die Reispflanze kann damit gar nicht umgehen. Deswegen wird hier stattdessen Riedgras angebaut. Wir besuchen eine Familie die vom Riedanbau und dem Herstellen von Schlafmatratzen lebt.
Zunächst wird das Riedgras geerntet oder besser geschnitten, dann mit verschiedenen natürlichen Färbemitteln eingefärbt und schließlich mit einer Machete gekonnt einmal längs geteilt. Daran schließt sich eine dreitägige Trocknung in der Sonne an. Dann können die behandelten Riedgrasgerten zu den Matten geflochten werden. Heute besteht das Flechtgerüst aus Nylonfäden während früher Naturmaterialien aus dem Dschungel benutzt wurden. Das Flechten geht zu Zweit recht schnell und benötigt dennoch für eine Schlafmatte gut drei Stunden. Die Familie arbeitet jeden Tag jeweils zwölf Stunden und kommt damit nur so einigermaßen über die Runden. Die einzigen freien Tage im Jahr sind während der Feierlichkeiten zum vietnamesischen Neujahrsfest Tet.
Wir fahren weiter und verlassen die Flußinsel wieder. Auf der Fahrt kommen wir an einem von vielen Fischweihern vorbei. Dort erklärt uns der Eigentümer werden Schrimps und Riesengarnelen gezüchtet. Der Weiher muss regelmäßig mit Sauerstoff angereichert werden. Dies wird mit vielen kleinen Schaufelrädern aus Kunststoff gemacht, die auf einer Welle befestigt sind, die von einem Elektromotor angetrieben wird. Für uns stellt der Bauer einmal kurz den Motor an und die Schaufelräder plantschen fröhlich im Wasser. Nach einigen Problemen in der Vergangenheit muss inzwischen die Wasserqualität regelmäßig geprüft werden und der Weiher gegebenenfalls auch abgelassen werden.
Bei unserer Weiterfahrt kommen wir wieder an vielen Reisfeldern vorbei. Die meisten sind erst vor kurzem abgeerntet worden und sind völlig trocken. Aber auf einem der bewässerten Felder ist wohl schon vor einigen Tagen angesät worden. Das Ansäen muss von Hand erfolgt sein, denn die wunderschön hellgrünen Pflanzen wachsen zwar kräftig aber sie sind sehr ungleichmäßig auf dem Feld verteilt. Deswegen sind fleißige Vietnamesen mit ihren typisch kegelförmigen Hüten damit beschäftigt, vorsichtig Pflanzen mitsamt ihren Wurzeln aus dem Schlamm an den dichten Stellen zu ziehen und in großen Büscheln zu sammeln. An anderer Stelle werden die Pflanzen aus den gesammelten Büscheln an weniger dichten Stellen wieder eingepflanzt. Nach getaner Arbeit sind die Reisfelder wunderschön gleichmäßig bepflanzt.
Auf unserem weiteren Weg besuchen wir Onkel Do in seinem Haus. Es ist etwas größer als die Häuser in der Nachbarschaft aber im gleichen Stil errichtet. Onkel Do brennt Reis- und die unterschiedlichsten Fruchtschnäpse. Seine Frau ist die eiserne Lady der Familie. Sie organisiert alles und erledigt sowohl die Haus- als auch die Feldarbeit. Heute Vormittag arbeitet sie auf dem Feld. Onkel Do spielt Gitarre und singt leidenschaftlich gerne. In Vietnam werden heute vornehmlich Lieder und Songs über das Leben gespielt und gesungen. Sie handeln oft von der Liebe und fast immer auch vom Krieg. Dem EINEN Krieg. Obwohl wir den Text nicht verstehen, ist auch für uns der Schmerz zu spüren.
Sein erstes Lied handelt von zwei sehr guten Freunden, die vor kurzem Soldaten geworden sind und zum Militärdienst einberufen werden. Weiter erzählt es von einem Unfall in den beide verwickelt werden. Dann erzählt Onkel Do wie er 1984 mit nur 21 Jahren zusammen mit seinem besten Freund während des Militärdienstes nach Kambodscha zum Räumdienst geschickt wurde. Nach nur wenigen Wochen kam es in den dortigen Minenfeldern der Amerikaner zu einer gewaltigen Explosion. Er verlor sein rechtes Bein. Sein bester Freund kämpfte im Krankenhaus insgesamt 41 Stunden ums Überleben ... vergeblich.
Nach einem zweiten Lied führt uns Onkel Do durch sein Haus. Für vietnamesische aber durchaus auch für europäische Verhältnisse recht geräumig. Nur die Ausstattung und der Zustand sind für europäische Augen erbärmlich. In einem großen Raum mit breitem Durchgang in den Garten brennt er seine Schnäpse. Zunächst wird der Reis sortiert. Die langen Reiskörner werden von den runden und den kurzen länglichen Reiskörnern getrennt. Die kurzen und die runden dienen als Hühnerfutter oder eben für die Herstellung des Reisweins. Die langen und großen Körner sind für den Verzehr und werden an Restaurants verkauft. Der Reis für den Schnaps wird in großen Eimern mit Wasser und Hefe zu einer Maische verarbeitet, die nach einiger Zeit wunderbar blubbernd CO2 freisetzt. Am Ende wird die abgetrennte Flüssigkeit circa 3 ½ Stunden lang destilliert. Der Alkoholanteil des fertigen Reisweins liegt bei 65%. Nach Aussagen der Mitreisenden schmeckt der Reisschnaps wohl eher nicht so gut, die anderen Frucht- und Gemüseschnäpse sollen aber ganz gut sein. Jedenfalls riechen die meisten sehr angenehm, selbst der aus Knoblauch. Ich nippe nur einmal am Guava-Schnaps, der schön fruchtig schmeckt.
Wir schwingen uns wieder aufs Fahrrad und fahren weiter zu einer kleiner Siedlung und deren Restaurant, bei dem wir selbst Reisnudeln herstellen dürfen. Hierzu wird Reis mit Wasser erwärmt und zu einem homogenen und dünnflüssigen Brei verarbeitet. Auf einer offenen Feuerstelle ist ein weißes dünnes Baumwolltuch gespannt. Das Feuer brennt mit Spreu vom Reis. Die Spreu verbrennt sehr schnell und die Mitarbeiterin muss ständig nachlegen. Mit einer großen Schöpfkelle wird etwas Brei (etwa ¾ der Kelle) auf das Baumwolltuch aufgetragen und sehr schnell aber vorsichtig verteilt. Nach nur 30 Sekunden ist der sehr dünne, runde Reiskuchen fertig und wird mit einem spitzen Bam--busstöckchen in der Mitte "unterwandert" und abgehoben. Weil die beiden dabei herunterhängenden Teile des Fladen recht leicht zusammenkleben ist etwas Geschick gefragt. Mit ausreichend Schwung und Geschwindigkeit wird der dünne Kuchen oder Fladen eben auf einen vorbereiteten Küchentisch überführt und einige Minuten abkühlen und trocknen gelassen. Anschließend wird der Fladen mit einem scharfen Küchenmesser von Hand zu Bandnudeln geschnitten. Alternativ kann dazu auch eine Nudelmaschine genutzt werden.
Im Anschluß an diese interessante und etwas Geschicklichkeit erfordernde Arbeit bekommt jeder von uns seine Nudeln in der landestypischen Suppe serviert. Und die schmeckt wirklich gut. Wobei ehrlich gesagt der Geschmack weniger auf die eher faden oder vielleicht sogar geschmacklosen Reisnudeln zurückgeht, sondern auf die anderen Zutaten der Suppe.
Hier in der Gegend kann bei einer Überschwemmung das Wasser bis zu einen Meter hoch stehen. Das ist gut an den Verfärbungen der Hauswände und den Wasserschäden an den Häusern zu erkennen. Demnach zu urteilen ist das kein ganz seltenes Ereignis. Als nächstes besuchen wir eine Schnitzerei, deren lange Tradition bis in die Zeit der Könige zurückgeht. Wie am Bestand des Rohstoffwarenlagers erkennbar ist, werden hier ganz unterschiedliche Holzarten verarbeitet. Die Schnitzereiarbeiten sind sehr detailliert und aufwendig. Wir dürfen zuschauen und uns auch an einem kleinen Holzklötzchen selbst versuchen. Wie immer, sieht alles bei einem Profi viel einfacher aus als es ist.
Unweit der Schnitzerei kommen wir an einen Kai. Hier warten wir kurze Zeit auf eine kleine Fähre. Wir verladen unsere Fahrräder und tuckern gemütlich über den großen Fluss zurück zum Fahrradhändler und laufen schließlich die wenigen Meter zurück zu unserem Hotel. Insgesamt waren wir etwa 40 Kilometer und gut 5 ½ Stunden unterwegs.
Für 16 Uhr ist wieder ein kleiner, elektrisch angetriebener, offener Shuttlebus vom Hotel zur alten Stadt organisiert. Wir machen uns auf zu einem besonderen Kochkurs im Green Mango Restaurant inmitten der Altstadt. Da Fahrzeuge im inneren der Altstadt nicht erlaubt sind, laufen wir die zwei verbleibenden Querstraßen bis zum Restaurant. Dort ist bereits alles für uns vorbereitet. Wir bekommen Kochmützen und Schürzen und dann geht's los. Wir bereiten ein typisch vietnamesisches, fünfgängiges Menü vor. Wobei unsere Chefköchin sogar die diversen Unverträglichkeiten der Teilnehmer berücksichtigt.
Unser Menü sieht wie folgt aus:
| 1) | Green Mango Chicken Salad | Grüner-Mango-Hühnersalat |
| Vietnamese green mango salad marinated in zesty ginger tamarind dressing | Vietnamesischer Salat aus grüner Mango, mariniert mit pikantem Ingwer-Tamarinden-Dressing | |
| 2) | Pho bo | Nudelsuppe mit Rindfleisch |
| Famous beef pho, fresh rice noddle in a cinnamon star anise broth | Berühmte vietnamesische Rindfleisch-Nudelsuppe mit frischen Reisnudeln in einer Brühe mit Zimt und Sternanis | |
| 3) | Duck spring roll | Frühlingsrolle mit Ente |
| Green tea smoked duck rolls served with balsamic strawberry dip | Frühlingsrolle aus über grünem Tee geräucherter Entenbrust mit einem Balsamessig-Erdbeer-Dip | |
| 4) | BBQ chicken in banana leaf | Barbecue-Hühnchen in Bananenblatt |
| Chargrilled fresh turmeric marinated chicken wrapped in banana leaf | Mit Kurkuma marinierte Hühnchenbrust eingewickelt in ein Bananenblatt frisch vom Holzkohlegrill | |
| 5) | Mango sticky rice | Klebreis mit Mango |
| Warmed sticky rice, mango served with mango puree and Malibu coconut sauce | Warmer Mango-Klebreis serviert mit Mangopüree und Malibu-Kokossauce |
Die meisten Zutaten sind bereits für uns gewaschen und vorbereitet. Wir beginnen mit der Ente, denn die braucht mit einer knappen Stunde am längsten. Einen schon recht gebrauchten Kochtopf auf dem Gasherd versehe ich mit einem Stück Alufolie. In die Mitte gebe ich zwei gehäufte Eßlöffel Zucker, dann zwei gehäufte Eßlöffel trockene Reiskörner und nochmal zwei gehäufte Eßlöffel grünen Tee. Nun lege ich die sehr schönen und saftigen Stücke der Entenbrust mit Haut um den zentralen Zutatenhügel. Ich befeuere den Gasherd und schon kurz darauf entsteht dicker aber wohlriechender Qualm. Ich verschließe den Topf mit einem dicht schließenden Deckel für fast eine Stunde.
Wir naschen immer wieder von den diversen Zutaten um deren Geschmack kennen zu lernen. Einige sind uns vollends unbekannt, andere haben wir zumindest schon in unseren Mittag- oder Abendessen kennengelernt. Leider waren wir in der Küche recht eingespannt, so dass weder die Mitreisenden noch ich die Rezepte mitschreiben konnten. Leider kann ich mich auch nicht mehr daran erinnern.
Aber mir ist noch die Herstellung der Frühlingsrollen mit Reispapier in Erinnerung geblieben. Das hauchdünne Reispapier wird zunächst mit Wasser besprüht und wird dadurch klebrig. Wie wir recht schnell gemerkt haben, erfordert die Arbeit mit Reispapier recht viel Erfahrung. Denn nimmt man zu viel Wasser, reißt es sehr leicht oder löst sich sogar auf. Nimmt man zu wenig Wasser, trocknet es zu schnell und man wird mit dem Befüllen und Falten nicht fertig. Nach dem Besprühen werden jedenfalls die verschiedenen Zutaten auf eine Hälfte des runden Reispapiers gebracht. Vor allem Salatblättchen, geraspeltes Gemüse und gegartes Hühnerfleisch. Dann wird der Inhalt mit den Fingern etwas kompaktiert und langsam in das Reispapier eingedreht. Bei unserem Chefkoch sieht das ganz einfach und elegant aus und ich wundere mich noch was dieses Reispapier alles aushält. Und jetzt sind wir an der Reihe und staunen nicht schlecht, wie schwierig dieser Arbeitsschritt doch ist und wie viel dabei eigentlich schief gehen kann. Kein Wunder, daß die verschiedenen Frühlingsrollen der Teilnehmer alle anders aussehen.
Schließlich haben wir alle fünf Gänge unseres Abendessens fertig zubereitet und werden an unseren Tisch geführt. Dort bekommen wir jeweils unsere eigenen Kreationen zum Abendessen gereicht. Obwohl die Optik unserer Versionen nicht immer mit der professionellen Vorlage mithalten kann, schmeckt es wirklich ausgesprochen lecker.
Leider muß ich mich vom Abendessen etwas früher verabschieden und laufe vom Restaurant aus dem inneren, für Fahrzeuge gesperrten Altstadtbereich heraus zu einem Taxistand und lasse mich auf eine der benachbarten Inseln fahren. Unser Reiseleiter hat mir eine spezielle High Class Eintrittskarte für 20 Uhr besorgt und elektronisch zugeschickt. Schon der gewaltige und umfangreiche Eingangsbereich zum Gelände läßt auf Großes schließen. Ich betrete schließlich das Gebäude mit der Tribüne. Nach Vorzeigen der Karte werde ich persönlich zu meinem Rang geführt und darf mir einen Sitzplatz in der vordersten Reihe aussuchen. Langsam füllt sich die Tribüne mit vielleicht fünfhundert Plätzen, vor allem die günstigeren Ränge. Ich befinde mich ja auf einer Insel, und die Tribüne steht nicht weit vom Flußufer entfernt. Vor uns ist eine gewaltige Bühne modelliert, die den Fluß zu einem Teil des Bühnenbildes und sogar zu einem Mitspieler macht. Langsam wird es stockdunkel. Vor der Bühne sind beiderseits Anzeigen am Boden installiert, die zweisprachig zunächst das Stück beschreiben und dann die Szenen ankündigen und erklären. Das einstündige Stück Hoi An Memories erzählt die Geschichte Vietnams und insbesondere der Region Hoi An.
Und dann zeigen die Asiaten mal wieder, daß Ihnen bei Akrobatik und bei Massenchoreographien keiner das Wasser reichen kann. Die Show ist genial. Musik, Bewegung, Licht, Feuer und Wasser werden perfekt in Szene gesetzt. Erst jetzt wird das ungeheure Ausmaß der Bühne erkennbar. Es kommen Elefanten und Schiffe zum Einsatz. Die etwa 300 Mitwirkenden agieren auf der gesamten, riesigen Bühne verteilt. Es ist phantastisch und manche Großszene raubt einem regelrecht den Atem. Man weiß manchmal gar nicht, wo man alles hinschauen sollte, um nichts zu verpassen. Diese perfekt synchronen Bewegungen. Ein ausgeklügeltes Bühnenbild und immer wieder das Spiel mit Licht und Wasser. Die Präzision erinnert sehr an die perfekte Choreographie der Eröffnungsfeier zu den Olympischen Spielen am 08. August 2008 in Peking.
Die Geschichte beginnt mit den hart arbeitenden Bauern auf dem Land. Es kommen Reisanbau und Webarbeiten vor. Und dann ist da natürlich noch die Liebesgeschichte eines Bauernjungen, der auf einem Schiffs anheuert, und nach seiner daheim gebliebenen Liebsten schmachtet. Es geht um Krieg und um Frieden und den König. Schließlich kommen andere Kulturen ins Spiel, auch wir Europäer, um in Hoi An Handel zu treiben. Die ganze Zeit wartet die Geliebte auf die Rückkehr des Jungen. Schließlich kommt der Bauernjunge als gemachter Mann nach Hause und kann seine Geliebte ... oder nein ... da war noch was. Aber das müsst ihr am besten vor Ort selber herausfinden. Wer sich einen kleinen Eindruck machen möchte, kann sich im Internet den kurzen Trailer der Show anschauen.
Danach geht es für einen Spottpreis wieder per Shuttle zurück zum Hotel. Der Fahrer spricht kein Wort Englisch aber das Ziel scheint er zu kennen. Dank Google Maps kann man sicherheitshalber schön verfolgen, ob die Zielangaben auch wirklich richtig verstanden wurde.
| Vorhergehender Beitrag | Übersicht | Nächster Beitrag |