Dienstag, 21. September 2021
Ich unternehme eine letzte Rundfahrt über die näher gelegene, südlichere Dune Road. Dort begegne ich unabhängig voneinander drei Autos mit Bekannten aus den letzten beiden Wochen. Wir erzählen uns die wichtigsten Neuigkeiten und Jagderfolge beim Fotographieren. Es sind nur etwa 120 km und doch dauert das langsame Fahren und Ausschauhalten bis kurz nach Mittag. Leider gibt's heute keine außergewöhnlichen Tierbeobachtungen. Zurück in Twee Rivieren pumpe ich die Reifen an der kleinen Tankstelle wieder auf Normalniveau auf und verlasse den Park.
Ich fahre die 240 km lange Red Dune Road oder R360 (Asphaltstraße) von Twee Rivieren nach Upington. Ich komme an der Norokai Pan vorbei, auf der oberflächlicher Salzabbau betrieben wird. Kurz vor Upington fällt mir auf, wie sehr diese ehemals kleine Stadt gewachsen ist. Eine unübersehbare Flut an Blechhütten in illegalen Slums oder Shantytowns ergießt sich in die Landschaft und frisst eine Farm nach der anderen und zerstört somit wertvollen und unersetzlichen Naturraum. Mit den Menschen kommt bergeweise der Müll, ungeklärtes Abwasser und viel zu viele Bohrlöcher für Trinkwasser, das in dieser trockenen Gegend rar und extrem kostbar ist. Es würde mich nicht wundern, wenn in einigen Jahren der Grundwasserspiegel soweit abgefallen ist, dass dort keine Pflanzen mehr das Grundwasser erreichen können und die Kalahari zur Wüste wird.
In Upington tanke ich wieder auf. Auf der Weiterfahrt nach Augrabies Falls Richtung Westen muss ich ziemlich Gas geben. Denn die Zeit rennt. Die Schlucht von Augrabies und die Fälle sind nur bis zum Nachmittag gut zu photographieren. Wenn die Sonne zu tief steht, ist die Schlucht nicht mehr ausreichend beleuchtet. Der Sonnenuntergang hat schon begonnen, und ich fahre gegen die untergehende Sonne. Das ist sichttechnisch etwas unangenehm. Dann fallen mir am Straßenrand die vielen in der Sonne glitzernden Steine auf. Bis ich erkenne, dass das alles Glassplitter sind. Von Windschutzscheiben und Scheinwerfern von verunfallten Autos und von arglos aus dem Auto- und Wohnungsfenster geworfenen Flaschen.
Ich erreiche Augrabies Falls kurz vor Sonnenuntergang und eile zu den Wasserfällen. Der Wasserstand ist auf eher niedrigem Niveau und tatsächlich ist die Beleuchtung schon nicht mehr gut. Aber dieses Mal geht es mir ja gar nicht um die Fälle bei Tag. Heute ist nämlich wie geplant Vollmond. Und der Mond geht bereits um kurz nach sieben Uhr auf. Wenn ich Glück habe und seine Position relativ zu den Wasserfällen und meinem Beobachtungspunkt stimmen, dann kann ich heute Abend nach dem wunderbaren Sonnenuntergang einen lunaren Regenbogen bewundern. Jedenfalls war das der Plan, nachdem dieses Vorhaben bei den Viktoria Fällen gescheitert ist.
Ich gehe zurück zu meiner Unterkunft und treffe notwendige Vorbereitungen für meine morgige sehr frühe Abfahrt und meinen Heimflug. Mein Flieger startet morgen Abend von Johannesburg und bis dorthin sind es über 900 km beziehungsweise eine Fahrt von 10 bis 11 Stunden. Bei Andreas muss ich gegen vier Uhr nachmittags ankommen und Rony parken. Um fünf Uhr muss ich am Flughafen beim Check-in Schalter sein. Eine kurze Recherche im Internet hat heute erneut bestätigt, dass ich als Geimpfter für die Heimreise von Südafrika nach Deutschland keinen Corona-Test mehr brauche. Diese Regel gilt seit drei Tagen.
Dann eile ich zum Restaurant, weil wegen der derzeitigen Sperrstunden in Südafrika die Küche bereits um halb acht Uhr schließt. Dann erfolgt ein letzter Gang zu den Wasserfällen. Sie sind im Mondlicht zu erkennen. Leider steht der Mond noch immer relativ zu meiner Beobachtungsposition auf der falschen Seite. Noch ist kein Regenbogen zu sehen. Der Mond wird aber im Laufe der Nacht - voraussichtlich kurz nach Mitternacht - in der richtigen Position stehen. Aber angesichts der morgigen sehr langen Fahrt und frühen Abfahrt muss ich ausgeschlafen sein und kann das Spektakel nicht mehr abwarten. Ein bisschen Enttäuschung macht sich breit. Dann mache ich mich daran, die letzten Sachen für Morgen zu packen und vorzubereiten.
Mittwoch, 22. September 2021
Ich schaffe es tatsächlich halb verschlafen, aber früh genug aus dem Bett. 910 km ist die Fahrt nach Johannesburg lang. Meine Abfahrt ist wirklich um Punkt 5 Uhr morgens. Das war der frühest mögliche Zeitpunkt. Um diese Zeit beginnen die Parkwächter ihren Dienst und schließen das Tor des kleinen Nationalparks um Augrabies auf. Ich hoffe, dass mein früher Aufbruch die beiden Nachbarn nebenan nicht geweckt hat. Ich komme an das Tor. Aber niemand da. Was nun? Ich warte ungeduldig, denn die Zeit läuft gegen mich. Aber am Eingang ist nirgends eine Telefonnummer hinterlegt. Ich durchsuche die Parkunterlagen, die ich gestern bei der Einfahrt bekommen habe. Aber auch da keine Nummer.
Eine viertel Stunde später erscheint schließlich der Wächter. Wegen der nächtlichen Ausgangssperre schafft er es nicht pünktlich zu erscheinen. Ich fahre los. Es ist natürlich stockdunkel und noch fahre ich auf kleinen und engen Nebenstraßen mit vielen Kreuzungen, Kreisverkehren und Ampeln. Es ist zum Glück wirklich nur minimaler Verkehr. Aber einige Tiere stehen gefährlich nahe am Straßenrand. Zum Sonnenaufgang um 06:35 Uhr erreiche ich das 90 km entfernte Upington. Von hier aus geht es auf einer einspurigen autobahnähnlichen Straße mit ausreichend vielen Überholmöglichkeiten weiter, und die Fahrt wird schneller.
Um 12:25 Uhr - nach 665 km, und noch 240 km vor mir - werde ich auf der Fahrt von einem schnellen weißen Auto überholt. Er ist Kolonnenspringer. Die Überholmanöver sind ziemlich gefährlich und aggressiv. Ich schenke dem aber wenig Aufmerksamkeit. Ich selbst habe genug damit zu kämpfen, die Lastwagen zu überholen. Da ich links fahre und links sitze, habe ich bei hohen Autos und vor allem Lastwagen wenig Sicht. Kaum zwei Minuten später komme ich an eine schwere Unfallstelle. Hier muss es vor wenigen Sekunden gekracht haben. Es ist das weiße Auto. Es ist in der Mitte auseinandergerissen. Der hintere Teil des Autos steht auf der Gegenfahrbahn. Ein Lastwagen in meiner Fahrtrichtung parkt auf dem rechten Seitenstreifen und hat den Motorblock des Unfallwagens in seiner rechten Vorderfront. Das schwere Getriebe ist vom Motorblock abgerissen und liegt auf der Straße.
Der Fahrer des Unfallwagens ist mit hoher Geschwindigkeit seitlich aus dem Auto geschleudert worden und liegt ziemlich ramponiert und leblos auf dem Asphalt. Sein Kopf ist nicht da, wo er sein sollte und das Gehirn ist über die Fahrbahn verschmiert. Für ihn kommt definitiv jede Hilfe zu spät. Die beiden beteiligten Lastwagenfahrer treffen sich gerade mittig auf der Straße und beobachten die Szenerie. Ihnen scheint es gut zu gehen, jedenfalls zeigen sie meinem Vordermann den Daumen nach oben. Da in der Ferne bereits das Martinshorn zu hören ist, fahre ich weiter. Wahrscheinlich hat der Unfallverursacher ein Überholmanöver versucht und ist zu spät wieder auf seine Seite eingeschert. Er wurde dann vom entgegenkommenden Lastwagen am Heck getroffen, hat sich gedreht und wurde dann ebenfalls vom Lastwagen, der in gleicher Richtung fuhr erfasst. Der Wagen wurde dabei relativ mittig zerrissen.
Nach einer hektischen Fahrt in der Umgebung von Johannesburg, dort ist der Verkehr einfach deutlich stärker, komme ich um dreiviertel vier bei Andreas an. Andreas ist unterwegs, aber sein Sohn Frank ist zur Zeit beim Housesitting. Ich stelle meine Taschen bereit und parke Rony. Dann kommt Mbuso, mein Freund aus dem ehemaligen Sandoz-Werk in Johannesburg, und holt mich und Frank ab und
bringt uns zum Flughafen. Mbuso ist ein ehemaliger Pharmaziepraktikant und hat in Sachen Qualität einiges von mir gelernt. Anfang Oktober wird er Site Head bei einem südafrikanischen Pharmaunternehmen. Am Flughafen klappt trotz einigem Gedränge alles reibungslos. Mein Abflug ist pünktlich um 19:00 Uhr Richtung Frankfurt, und Frank startet kurz darauf Richtung Kapstadt.
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