Hà Nội – Hanoi

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Freitag, 05. Januar 2024
Das Packen war mal wieder Chaos bis zur letzten Minute, wie immer. Aber dann klappte alles, Abflug mit Thai Airways Flug TG-925 pünktlich um 13:35 Uhr in München auf dem Weg nach Bangkok. Der Flug mit einem Airbus A350-900 in 3 - 3 - 3 Bestuhlung in der Touristenklasse war ganz OK. Es plärrten zwar die ganze Zeit verschiedene kleine Kinder, aber dafür blieb in meinem Dreierblock der mittlere Sitzplatz frei, und so war es nicht ganz so eng. Auch wegen der Uhrzeit war leider, trotz Abdunkelung der Kabine, nicht wirklich an Schlafen zu denken. Wir umflogen die Ukraine und Rußland im Süden und überquerten den Osten der Türkei, den Iran, Afghanistan und Pakistan und Indien. Über dem indischen Ozean wurde es etwas wackeliger, aber über Myanmar und Thailand hatte es sich wieder beruhigt.

 

Samstag, 06. Januar 2024
Wir kamen nach 9½ Stunden Flug im Morgengrauen, kurz nach 5 Uhr morgens, also etwa 1 Stunde vor dem Plan, am internationalen Flughafen von Bangkok an. Die Zeitverschiebung gegenüber München beträgt 6 Stunden voraus. Wie die allermeisten Flughäfen der Welt folgt auch Bangkok den üblichen Prozeduren und gleichen Begriffen. Bei einem Weiterflug bleibt einem die Einreiseformalität erspart, und wenn das Gepäck durchgecheckt ist, auch der Zoll, aber man durchläuft nochmal eine Sicherheitskontrolle. Zunächst muss man aber die Nummer des Abflugsteigs suchen. Das gestaltet sich manchmal etwas schwierig, wenn ein Flug unter verschiedenen Flugnummern geführt wird. Aber anhand des Ziels und der Abflugzeit kommt man dann meistens weiter.

Der Flughafen von Bangkok ist dem Anschein nach schon recht alt und hat bezüglich diverser Beschädigungen und Abnutzungserscheinungen entsprechend Ähnlichkeiten mit afrikanischen oder auch indischen Flughäfen. Im Unterschied zu indischen Flughäfen ist der Geruch aufgrund der Luftverschmutzung zwar auch unangenehm, aber weniger intensiv und dank fehlender Teppiche gibt es keinen überlagernden Schimmel- oder Fäulnisgeruch. Dem Alter des Flughafens ist es wohl auch geschuldet, dass einige nachträglich eingerichtete Kontrollpunkte und Anlagen etwas gedrängt und improvisiert erscheinen. Immerhin funktioniert alles, und das Personal ist sehr hilfsbereit und ausgesprochen höflich.

Aufgrund der Uhrzeit ist am Flughafen noch nicht viel los. Die Sicherheitskontrolle geht daher recht schnell (Laptop und Kamera können in den Taschen bleiben, Gürtel darf man anlassen, aber Schuhe müssen ausgezogen werden). Es geht weiter zum Flugsteig G2, wo das lange Warten vor dem Boarding beginnt. Mit der Zeit nimmt die Aktivität am Flughafen zu. Die Mehrheit der Reisenden sind Asiaten und Inder. In der Menge kann ich nur ein paar junge Europäer ausmachen. Schließlich kommt die Mannschaft, und der eigentliche Wartebereich vor dem Flugsteig kann nach einer Paß- und Visumkontrolle betreten werden. Der Weiterflug nach Hanoi um 7:45 Uhr mit Thai Airways Flug TG-560 startet pünktlich und dauert nur 1½ Stunden.

Der internationale Flughafen von Hanoi ist etwas jünger und folgt auch den Standards. Die Einreise für Touristen mit deutschem Paß gestaltet sich völlig problemlos, und so bekomme ich nach einem kurzen Plausch meinen Einreisestempel, der mich zu einem Aufenthalt von 45 Tagen berechtigt. Ich hebe schnell an einem der Visa-Automaten noch Bargeld im Wert von etwas 120 Euro ab. Dafür bekomme ich 3.000.000 VND oder Đồng (gesprochen Dong). Endlich Millionär ... 😁

Mein aufgegebenes Gepäck bekomme ich am Gepäckband sofort wieder, und auch die Zollbeamten sind ganz gelassen. Nur mein Fahrer vom Hotel ist noch nicht da. Ich gehe mehrmals die ganze Schlange der wartenden Fahrer ab. Ich werde mehrfach angesprochen, ob ich denn ein Taxi benötige. Nach dem Verneinen wird jedes Mal wieder Abstand gehalten. Die Fragenden sind freundlich und sehr höflich, nicht die geringste Spur von Aufdringlichkeit. Das ist tatsächlich sehr auffallend und unterscheidet Hanoi - und wie sich im Verlauf der Reise zeigen wird, ganz Indochina - sehr von anderen Orten der Welt. Ich besorge mir noch schnell eine vietnamesische SIM-Karte für 14 Tage. Ein Datenvolumen von täglich 7 GB für insgesamt nur 10 Euro. Die soll sich noch als sehr nützlich herausstellen. Ich verlasse das Flughafengebäude und sehe einen Fahrer mit einem Schild mit meinem Namen. Er spricht kein Wort Englisch, aber wir können uns dennoch ausreichend verständigen.

 

Eine der unzähligen Seitenstraßen ... Nacht in Hanoi
Erste Eindrücke aus Hanoi bei Tag und Nacht

 

Die Fahrt ins Hotel ist unaufgeregt. Mir fallen sofort die vielen Mopeds, Motorräder und Motorroller auf den Straßen von Hanoi auf. Natürlich gibt es auch Autos und Lastwagen, aber die Mehrheit scheinen sie nicht zu bilden. Wenn man mal von kommerziellen Fahrzeugen absieht, wie Lastwagen, Bussen und Kleintransportern, sind circa ein Drittel der Fahrzeuge SUVs. Fast jeder Passant trägt ein Mobiltelefon bei sich. Damit wird auf den ersten Blick sofort klar, daß Vietnam, obwohl eine sozialistische Republik mit kommunistischer Einheitspartei, ganz und gar nichts mit dem Kommunismus sowjetischer Prägung zu tun hat, sondern sich wie die großen Brüder in der benachbarten Volksrepublik China durch enge Verzahnung von Kommunismus mit dem Kapitalismus ihr ganz eigenes politisches System geschaffen haben.

Da kommt doch schon wieder die Frage auf, wofür sind nun im amerikanischen Vietnamkrieg die vielen Toten gestorben und haben die vielen Vergifteten und Verletzten gelitten?

Das Wetter ist bewölkt und schwül warm - wir haben 24 °C und eine Luftfeuchtigkeit um die 90 %, und das fühlt sich schon eher an wie das indische Mumbai, das frühere Bombay. Aber die Luftqualität ist hier eindeutig besser - zwar nicht gut, aber besser als Mumbai. Es dauert nicht lange, und man ist völlig durch geschwitzt und die Kleidung klebt förmlich am Körper. Ein eher unangenehmes Gefühl.

Kabelsalat Mehr Kabelsalat

Die Infrastruktur sieht insgesamt gut aus. Naja, vielleicht mit Ausnahme der vielen chaotisch und oberirdisch verlegten Kabel, die quer über und entlang der Straße hängen. Da weiß bestimmt niemand mehr, was da eigentlich wie verkabelt ist. Aber ansonsten ist alles recht gut gepflegt. Anders als in Afrika und auch dem europäisch geprägten Afrika oder noch schlimmer in Indien, sind hier die Straßen und Bürgersteige sauber. Es liegt kein Müll herum, und die Bordsteine sind sauber verlegt und intakt, was eindeutig darauf hindeutet, daß hier der Staat dahinter ist. An aktiven Baustellen sieht das natürlich anders aus, da liegt vor allem Bauschutt und manchmal auch Müll herum.

 

Sonntag, 07. Januar 2024
Zusammen mit einer britischen Familie unternehme ich eine geführte Stadtbesichtigung durch Hanoi. Schon auf der Fahrt fällt gleich auf, wie lebhaft es zugeht. Überall wirbeln viele Kinder und Jugendliche herum. Allerdings mit größtem Respekt vor den Älteren oder auch uns Gästen. Da spürt man ganz deutlich den hohen Stellenwert der konfuzianischen Gesinnung in dieser südostasiatischen Gesellschaft. Alle Menschen machen ein freundliches Gesicht und wenn sich zwei Blicke treffen, bekommt man ein freundliches Lächeln geschenkt. Dieses Erleben ist so intensiv und stellt einen solch krassen Unterschied zu Deutschland dar, dass es mich regelrecht erschauern läßt. Deutschland wirkt im Vergleich zu hier wie eine dunkle Gruft mit einer Gesellschaft in Erwartung des unmittelbaren eigenen Todes.

Weiterhin fällt auf, wie klein doch die Ostasiaten, insbesondere aber die Vietnamesen im Vergleich zu uns Europäern sind. Ich würde den Durchschnitt irgendwo zwischen 1,50 und 1,60 m verorten. Und absolut beneidenswert, sie sehen allesamt jünger aus, als sie sind. Unseren heutigen Reiseleiter schätzten wir auf Anfang zwanzig. In Wirklichkeit war er bereits 35 Jahre alt. Alle Vietnamesen haben dunkelbraune Augen und schwarze Haare. Ganz selten taucht mal jemand mit künstlich gefärbten Haaren auf - dunkelrot oder dunkelblond. Mir fällt es noch schwer, Gesichter auseinander zu halten oder unseren Reiseleiter in einer Menschenmasse wiederzuerkennen. Wobei ich mir einbilde, in der Menge den einen oder anderen Chinesen entdeckt zu haben.

 

Das Eingangstor zum Tempel der Literatur
Das Eingangstor zum konfuzianischen Tempel der Literatur.

Als erstes besuchen wir den konfuzianischen Tempel der Literatur im Westen der Altstadt von Hanoi. Es ist ein von Herrscher Ly Thanh Tong um das Jahr 1070 n.Chr. als Nationalakademie erbauter Anlagenkomplex zu Ehren des chinesischen Philosophen Kǒng Zǐ (Konfuzius). Kurz darauf wurde hier eine Akademie als königliche Schule für die Eliten gegründet, wie Prinzen, Edelleute und Mandarine. Das gewaltige Eingangstor ziert übrigens das Stadtsiegel, das beispielsweise auf allen Straßenschildern verzeichnet ist.

 

Uralter Baum im Eingangsbereich Wunderschöner Bonsai-Baum

 

Kurzer Einschub aus Wikipedia:
Mandarine waren Gelehrte, Richter und Beamte, die ihren Dienst in allen Bereichen der chinesischen Verwaltung versahen. Ihr Amt und die damit verbundenen Titel und Ränge wurden ihnen nach einer jahrelangen, elitären Ausbildung verliehen. Dabei waren sie einem rigorosen Auswahl- und Prüfungssystem unterworfen, das garantieren sollte, dass die Verwaltung des Landes nur durch die gelehrtesten und fähigsten Köpfe wahrgenommen wurde. Die Amtsausübung und -befähigung eines jeden Mandarins wurde regelmäßig streng kontrolliert. Im untersten Rang waren sie als Lehrer an Schulen tätig, in den höchsten Rängen waren sie einflussreiche wie vielrespektierte Verwalter, Berater und Gelehrte, aber auch Herolde und Diplomaten im Namen und Auftrag des Kaisers.

Und dieses System der Mandarine wird noch heute gepflegt, vor allem in China. Und man sollte sich keiner Illusion hingeben, auch der chinesische Staatspräsident Xí Jìnpíng und seine Minister und Berater sind durch diese harte Schule und die vielen Auswahlprozesse gegangen und haben ihr Können unter Beweis stellen müssen. Wenn man dann noch die sehr langen und vorausschauenden Planungshorizonte chinesischer Politik bedenkt, wird vielleicht erkennbar, welches ungeheure Gewicht und welche Bedeutung jedwede Aussage aus China hat. Wer mit China zu tun hat, verhandelt nicht mit kleinkarierten, karrieregeilen Kommunisten, sondern mit der Staatselite. Da wäre es höchste Zeit auch von deutscher Seite gebildete und erfahrene Politiker und Wirtschaftsfachleute ins Rennen zu schicken, statt unserer vielen Polit- und Managementversager.

 

Die Akademie gilt heute als die erste Universität Vietnams und hat im Lauf von gut 700 Jahren Hunderte von bekannten Gelehrten und Mandarine hervorgebracht. Trotz beständiger Kriege und Katastrophen blieb die wertvolle Architektur und der kulturelle Wert des Tempels der Literatur erhalten. Das Gelände unterteilt sich in fünf Gärten oder Abschnitte mit unterschiedlichen Bedeutungen und ist sehr stark besucht. Viele Schulklassen nutzen den heutigen Sonntag um ihren Schulabschluss in angemessener Umgebung zu begehen. Alle tragen ihre besondere Schuluniform und der Abschluß wird wirklich feierlich zelebriert. Etwas, das wir Deutschen uns unbedingt abschauen sollten. Als ich beispielsweise meine Doktorurkunde erhalten habe, war ich in einem Kellerraum der Universität und bekam vom Hausmeister wortlos ein DIN-A4 Schreiben in die Hand gedrückt. Das war's. Besser kann ein Land doch seine Geringschätzung für gute Bildung kaum ausdrücken. Wohingegen in konfuzianisch geprägten Ländern der Bildung ein enormer, wenn nicht sogar der höchste Stellenwert beigemessen wird.

Abschlußklasse einer Schule aus dem Umland beim Klassenphoto
Abschlußklasse einer Schule aus dem Umland beim Klassenphoto

 

Das große Eingangstor in der Mitte wird von zwei kleineren Toren flankiert. Dem Tor der Tugend und dem Tor des Talents. Mit der Bezeichnung, der durch verschiedene Verzierungen Nachdruck verliehen wird, brachte der König seine klaren Erwartungen an die hier aufgenommenen Schüler unmißverständlich zum Ausdruck. Auch in weiteren Bildnissen und Darstellungen wird beschrieben, wie nur durch energisches Studieren und ständiges Versuchen der Schüler ausreichend wissend und brillant werden kann, um schließlich alle Prüfungen zu bestehen, die regionalen, die landesweiten und die Palastprüfungen, und ein Staatsdiener zu werden. Zur damaligen Zeit bestand der Lehrplan aus dem Studium und der Auseinandersetzung mit dem Gesamtwerk des Meisters Kǒng (Konfuzius) und der chinesischen Kultur.

Ab dieser Stelle werde ich meine Beschreibungen wieder stärker einschränken und abkürzen. Ansonsten sprengt die Beschreibung der ungeheuer vielen Details und der dahinter stehenden Ansichten und Weltanschauungen jeden Rahmen. Es sei aber noch angemerkt, dass alles an diesem Ort bis ins Kleinste durchdacht und in Harmonie mit dem Gedankengebäude des Konfuzianismus ist. Hätte ich mich in der Vergangenheit nicht bereits intensiv mit China, der chinesischen Kultur und dem Konfuzianismus beschäftigt, wären mir diese Details übrigens trotz der Hinweise unseres Tagesführers gänzlich verborgen geblieben.

 

Teich mit Seerosen Pavillion im dritten Hof

Der dritte Hof Thien Quang Well und sein Teich sind quadratisch und symbolisieren die Erde während der Kreis auf dem Pavillion den Himmel darstellt. Zusammengenommen bildet das Ensemble die Harmonie zwischen Himmel und Erde ab und dient als Spiegel, der die Essenz des Universums darstellt. Ein Spiegel, in dem sich der Schüler selbst erkennen muss, um sich dann adäquat für den Gang in das heilige Innere vorzubereiten.

Am Rande dieses dritten Hofes stehen große Steinstelen mit Details von allen Prüfungen und den promovierten Absolventen der Universität. Bei genauerem Hinsehen stehen diese Stehlen auf Schildkröten aus Stein. In der vietnamesischen Kultur gibt es vier heilige Wesen: den Drachen, das Einhorn, den Phönix und als einziges reales Tier die Schildkröte. Sie repräsentiert Langlebigkeit, Weisheit und Wissen.

Steinstelen auf Schildkröten mit Details der Prüfungen und allen Absolventen
Steinstelen auf Schildkröten mit Details der Prüfungen und aller Absolventen

 

Hinter dem vierten Tor Đại Thành Môn oder Tor zu großem Erfolg enthält der vierte Hof eine außergewöhnlich konstruierte Gedenkstätte für Meister Kǒng mit roten Säulen und einer Dachkonstruktion aus Holzbalken, von denen antike Laternen hängen. In der Mitte der Gedenkstätte steht ein typischer Altar, wie er in jedem vietnamesischen Haus vorkommt. Er ist der zentrale und wichtigste Ort jedes Hauses und dient der Verehrung der Ahnen. Im Altar müssen die fünf grundlegenden Elemente Metall, Holz, Wasser, Feuer und Erde vorhanden sein, sowie Spendengaben und der Geruch von Räucherstäbchen. In der Gedenkstätte steht auf jeder Seite des Altars jeweils ein Kranich und eine Schildkröte. Sie werden als gute Freunde vermutet und repräsentieren den Wunsch nach Harmonie und Ewigkeit.

Einer der Altäre überschrieben mit "Chinesische Medizin"
Einer der Altäre überschrieben mit "Chinesische Medizin"

 

Verzierung eines Behälters zum Abbrennen von Räucherstäbchen Fernöstliche Laterne

Im fünften Hof steht ein zweistöckiges Gebäude. Das Erdgeschoß ist dem ersten Rektor der Akademie Chu Văn An gewidmet, der sein ganzes Leben der Bildung gewidmet hat. Im Obergeschoß wird den drei Königen gedacht, die am meisten zur Gründung und Etablierung der Akademie beigetragen haben: Lý Thánh Tông, der den Tempel 1070 gründete, Lý Nhân Tông, der die Akademie gründete, und Lê Thánh Tông, der 1484 die Aufstellung der Steinstehlen auf den Schildkröten initiierte.

Gebäudekomplex innerhalb des Tempels der Literatur Pavillion mit der großen Glocke

 

 

Als nächstes geht es ins Hanoi Hilton. Ein Gebäudekomplex, der von abgeschossenen und gefangen genommenen amerikanischen Kampfflugzeugpiloten und -besatzungen so bezeichnet wurde, die hier während des amerikanischen Vietnamkrieges inhaftiert waren. Es ist natürlich kein Hotel, sondern das Hỏa-Lò-Gefängnis, aber ein Vorzeigegefängnis im Vergleich zu den vielen Lagern der Europäer und Amerikaner in Indochina. Die Nordvietnamesen hatten hier entsprechend der Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen diese korrekt und entsprechend der Vorgaben behandelt. Es gab ausreichend Essen und ärztliche Versorgung. Allerdings stammt der Gebäudekomplex nicht von den Vietnamesen, sondern wurde von den Franzosen in der Kolonialzeit errichtet, um Aufständische und andere vermeintliche Gegner gegen die französische Kolonialmacht zu foltern, weg zu sperren und zu entsorgen. Daher der vietnamesische Name Hỏa Lò, was "glühender Ofen" bedeutet.

Internierung von Gefangenen mit Fixierung der Füße.
Internierung von Gefangenen der Franzosen mit Fixierung der Füße. Das Licht wurde für das Museum nachträglich installiert.

Von einer akzeptablen Gefangenenbehandlung kann unter den Franzosen nun wirklich nicht gesprochen werden. Die Insassen wurden unter unwürdigsten Bedingungen gehalten, Frauen wie Männer. Die entsprechenden Illustrationen in den alten Zellen dieses heutigen Museums sind kaum zu ertragen. Die überfüllten Zellen sind dunkel und haben nur minimal Licht. Die Gefangenen waren, einer direkt neben dem anderen, mit Fußfesseln fixiert. Es durfte kein Wort gesprochen werden. Jede Handlung musste von den Wärtern genehmigt werden. Die Toilette bestand aus einem Loch im Boden. Medizinische Versorgung gab es keine, noch nicht einmal für die Schwangeren oder die kleinen Kinder, und Essen war auf wenige Gramm Reis pro Tag rationiert. Wer die Regeln nicht befolgte, kam in einem winzigen, völlig dunklen Raum in schmerzhafter Haltung gefesselt in Isolationshaft. Es wurde systematisch gefoltert.

 

Isolationshaft

Wir verlassen diesen grausigen Ort wieder, der den Europäern einen Spiegel der eigenen Vergangenheit vorhält. Und wieder läßt sich fragen, wie viel waren uns die selbst gesetzten hehren europäischen Werte eigentlich wert, wenn es um fremde Kulturen und Menschen in von uns kontrollierten oder besetzten Ländern ging. Ich bin mir sicher, die Franzosen hatten bedingt durch die überlegene Waffentechnik und in einem Anflug von Größenwahn die Idee als Hegemon oder Kolonialmacht im fernen Osten auftreten zu können, waren aber eigentlich viel zu schwach und unbedeutend, um das mit der notwendigen Autorität durchführen zu können. Und weil sie die hiesige Kultur nicht ausreichend verstanden haben, bekamen sie im Zuge des Widerstands der Indochinesen Panik und sind unter anderem mit dem Gefängnis völlig übers Ziel hinausgeschossen. Ich persönlich sehe da eine ernste Parallele zu Amerika, die Dank ihrer Waffensysteme einzelne Schlachten gewinnen, aber seit Korea jeden einzelnen Krieg erbärmlich verloren haben. Zum Glück sind die Vietnamesen insgesamt kein nachtragendes Volk.

Man muß natürlich fairerweise sagen, daß bisher nur wenige Herrscher in der Weltgeschichte, konkret nur die wirklich sehr starken und mächtigen, die selbstgesetzten Regeln und Rechte sowohl den eigenen Landsleuten wie den fremden, beherrschten Menschen zukommen haben lassen. Hierbei war auch entscheidend, wie stark der Einfluß der Herrschenden auf die eigenen Soldaten und Untergebenen war. Wie stark also die Werte in der Kultur und im täglichen Leben wirklich verankert und verinnerlicht waren.

 

 

Wir machen uns auf zu einer etwas anderen und besonderen Attraktion, der Train Street. Viermal täglich fahren Züge von Hanoi nach Saigon und vier wieder zurück. Für die Strecke benötigen sie zwischen 32 und 35 Stunden. Die 1726 km lange Strecke ist weitgehend einspurig und nicht elektrifiziert. An zwei Stellen in der Stadt sind die Häuser derart nahe an die Gleise gebaut, dass auf beiden Seiten vielleicht je ein Meter Platz zwischen Zug und Hauswand bleibt. Das Besondere hier ist, dass die meiste Zeit des Tages auf den Gleisen ein geschäftiges Treiben herrscht. Hier sitzen Menschen mit Getränken auf den Gleisen, Händler bieten ihre Waren feil und Restaurants buhlen um Kunden. Auch hier fahren überall Mofas. Wenn das Warnsignal eines herannahenden Zuges ertönt, verschwindet alles und alle von den Gleisen. Kaum hat der Zug die Strecke passiert, kehrt das normale Leben auf dem Gleis wieder. Kurz vor Ankunft des Zuges winkt uns ein junger Ober herbei und bietet uns Plätze zum Sitzen an. Wir bestellen etwas zu trinken und sitzen direkt an einer Hauswand. Wir können die Gleisschwellen berühren.

Wie es sich anfühlt, fast vom Zug überrollt zu werden ...

Dann kommt das Warnsignal. Alles verschwindet von den Gleisen, und wir müssen uns schräg setzen, damit unsere Knie nicht den Zug berühren. Und da kommt der Zug auch schon mit vielleicht 40 bis 50 km/h angerollt. Die Lokomotive ist riesig und wir sind winzig. Der Zug ist laut und kommt immer näher. Es ist ein wirklich sehr mulmiges Gefühl. Dann ist die Lokomotive direkt vor uns. Wir könnten sie berühren, indem wir einfach die Hand ein wenig ausstrecken. Und dann kommt Wagen nach Wagen an uns vorbei gebrettert. Der 12. Wagen ist der letzte und kurz nachdem er vorbei gerauscht ist, herrscht wieder lebhaftes Treiben auf dem Gleis. Bis zum nächsten Zug. Wir sitzen etwas ängstlich aber unverletzt an der Hauswand und sind irgendwie erleichtert.

Vor Ankunft des Zuges ... ... nach Ankunft des Zuges.
Die Train Street kurz vor Ankunft des Zuges ... und kurz nach Vorbeifahrt des Zuges.

 

 

Mittagessen in einem kleinen Restaurant mit der Spezialität Phở bò, in dem US-Präsident Barack Obama einst gespeist hat. Das mehrstöckige Gebäude ist sehr schmal - vielleicht 5 Meter breit - und so ist es im Restaurant sehr eng. Alles hier ist sehr rudimentär, Campingtische aus Aluminium und blaue kleine Plastikhocker zum Sitzen. Aber die Küche ist sauber und das Essen lecker. Die Nudeln werden aus Reis hergestellt und auf einem Teller serviert. Dazu bekommt jeder eine Schüssel mit Suppe, in der verschiedene Kräuter, Gemüse und Rindfleisch gekocht wurden. Die Suppe ist gut, aber mild gewürzt. Nun werden einige Nudeln mit Stäbchen in die Suppe befördert und anschließend gegessen. Wer möchte, kann die Suppe noch mit geschnittenen roten Chilischoten würzen. Für die Suppe gibt es noch einen Löffel. Keiner von uns wagt es, nach einer Gabel zu fragen und versucht sich mit den Stäbchen. Zum Glück sind das touristenfreundliche Stäbchen mit Kerben an der Spitze, was die Haftung insbesondere der glitschigen Nudeln verbessert. Das Essen schmeckt ausgesprochen gut.

Erstes Mittagessen in Hanoi, Vietnam
Das erste Mittagessen in Hanoi ... Phở bò ... vietnamesische Suppe mit Reisnudeln und Rindfleisch

Das Leitungswasser in der Stadt ist nicht trinkbar, und so verzichten wir - wie jeder Reisende weiß - auf den Verzehr von Salat und ungekochtem Obst und Gemüse ohne Schale. Die Getränke und - etwas skurril - die Feuchttücher müssen wir bezahlen, das Essen selbst ist in den Tourkosten inkludiert.

 

Dann geht es weiter zum Ho Chi Minh Komplex. Zunächst betreten wir einen großen Platz mit stark erhöhten Sicherheitsvorkehrungen und strenger Kleiderordnung, die von Soldaten und Polizisten penibel überwacht wird. In der Mitte des Platzes weht die rote Flagge der Sozialistischen Republik Vietnam mit einem fünfzackigen gelben Stern in der Mitte, rechts von uns liegt das Parlamentsgebäude und links das Mausoleum von Hồ Chí Minh (1890 – 1969). In der zentralen Halle dieser großen Gedenkstätte wird in einer Glasvitrine der einbalsamierte Leichnam des ehemaligen vietnamesischen Staatsführers Hồ Chí Minh, auch Bác Hồ (Onkel Ho) genannt, aufbewahrt. Er war der Gründer und Führer der Kommunistischen Partei Vietnams und spielte eine entscheidende Rolle im Kampf Vietnams um die Unabhängigkeit von der Kolonialherrschaft Frankreichs.

Die vietnamesische Flagge vor dem Parlament
Die vietnamesische Flagge vor dem vietnamesischen Parlament (rechts)
Mausoleum von Hồ Chí Minh
Mausoleum von Hồ Chí Minh

 

Hinter dem Mausoleum kann das Wohnhaus des ehemaligen Staatsführers besichtigt werden. Den großzügigen Prachtbau aus der Kolonialzeit bewohnte Hồ Chí Minh jedoch nie. Stattdessen lebte er nebenan in einem landestypischen Holzhaus auf Stelzen in einer schönen Parkanlage.

Offizielle Residenz Hồ Chí Minhs Die wirkliche Residenz von Hồ Chí Minh

 

 

UnwEinsäulenpagode in Hanoieit davon steht Chùa Một Cột, die Einsäulenpagode oder auch "Ein-Pfahl-Pagode". Sie ist eine der ältesten Pagoden in Hanoi und wegen ihrer außergewöhnlichen Bauweise ein Wahrzeichen der Stadt. Die ganze Konstruktion ruht auf einem einzigen Pfeiler, der in der Mitte eines Lotusteichs steht. Die Pagode ist nicht nur eine beliebte Touristenattraktion, sondern auch ein religiöser Anlaufpunkt für hiesige Pilger.

Der Legende nach erschien dem kinderlosen König Lý Thái Tông im Traum die auf einer Lotusblüte sitzende Göttin der Barmherzigkeit. Als ihm ein Sohn geschenkt wurde, ließ er aus Dank diese Pagode in Form einer Lotusblüte erbauen. Im konfuzianischen und buddhistischen Glauben steht die Lotuspflanze als Symbol für Reinheit, Glück und Erleuchtung. Denn sie blüht wunderschön und verbreitet einen lieblichen Duft, obwohl sie in einer schlammigen Umgebung verwurzelt ist.

Ursprünglich 1049 als 3 m langer Holztempel auf einem Baumstamm erbaut, wurde die Pagode im Laufe der Zeit mehrfach zerstört, letztmalig 1954 von den Franzosen bei deren Rückzug aus Indochina. Bei der Rekonstruktion wurde der ursprüngliche Baumstamm, der durch Fäulnis nicht mehr gerettet werden konnte, durch eine Betonsäule ersetzt. Nun ruht das Gebäude in der Mitte eines kleinen Sees und ist über eine dreizehnstufige Treppe für die Gläubigen erreichbar.

 

 

Altar in der Einsäulenpagode
Altar der Einsäulenpagode

 

 

Wiederum in Wanderdistanz in mitten eines dichten, von winzigen Sträßlein und Gassen durchzogenen Wohngebiets besuchen wir einen kleinen versteckten Teich. Dort sind bis heute die Überreste eines amerikanischen B52 Langstreckenbombers zu sehen, der am 27.12.1972 von den Việt Minh abgeschossen wurde und in den damals noch deutlich größeren Teich stürzte.

Überreste eines B-52 Bombers mitten in Hanoi

 

Bis Mitte 1972 versuchten die Amerikaner und Südvietnamesen durch großräumige Flächenbombardements in Nordvietnam den Sieg zu erringen, allerdings erfolglos. Die veränderte Wahrnehmung des Krieges in der weltweiten Öffentlichkeit führte schließlich dazu, daß Verhandlungen geführt wurden. Am 7. November 1972 stand für US-Prä­si­dent Ri­chard Nixon die Wie­der­wahl an, und die Mehrheit der Wähler war kriegsmüde. Also unterzeichneten die USA zähneknirschend Ende Oktober 1972 den ausgearbeiteten Waffenstillstandsvertrag. Nach seiner Wiederwahl allerdings änderte Nixon seine Meinung, und stellte neue Forderungen.

Nachdem ein inszenierter Vorfall hochstilisiert wurde, wurden im Rahmen der Operation Linebreaker II ab dem 18.12.1972 die Bombardierungen von Nordvietnam wieder aufgenommen. In den wenigen Tagen bis zum Ende des Jahres 1972 flogen die US-Militärs circa 500 Einsätze über Hanoi mit bis zu 140 B-52 Langstreckenbombern. Bei deren berüchtigten Flächenbombardements von Hanoi und den Deichsystemen der Ha­fen­stadt Hai­phong wurden 50.000 Tonnen Bomben abgeworfen. Allein in Hanoi starben 4.000 Menschen. Doch dank der Ra­ke­ten so­wje­ti­scher Bau­art und ihrer nord­viet­na­me­si­schen Be­die­nungs­mann­schaf­ten gelang es 33 dieser riesigen Maschinen mit je acht Triebwerken abzuschießen und vom Himmel zu holen. Nachdem es an immer mehr Stellen der amerikanischen Streitkräfte, Marine und Luftwaffe zu Desertationen, Sabbotagen und Befehlsverweigerungen gekommen war, mussten am 15. Januar die Angriffe schließlich eingestellt werden.

Am 22. Ja­nu­ar muss­te der US-Chef­un­ter­händ­ler Henry Kis­sin­ger mit Po­lit­bü­ro-Mit­glied Lê Đức Thọ der Pa­ra­phie­rung der Pa­ri­ser Ab­kom­men zu­stim­men, die am 27. Ja­nu­ar von den vier be­tei­lig­ten Sei­ten un­ter­zeich­net wur­den. Es han­del­te sich mit ge­ring­fü­gi­gen Än­de­run­gen um das Ab­kom­men, dem Nixon vor sei­ner Wahl zu­ge­stimmt, es dann aber wie­der ab­ge­lehnt hatte. Am 2. März wurde das Ab­kom­men durch eine In­ter­na­tio­na­le Viet­nam­kon­fe­renz ge­bil­ligt, an der neben den drei viet­na­me­si­schen Sei­ten die fünf stän­di­gen Mit­glie­der des UN-Si­cher­heits­ra­tes sowie Un­garn, Polen, Ka­na­da und In­do­ne­si­en teil­nah­men.

Anders als die Franzosen 1954 hielten sich die USA nur teilweise an das Abkommen, das eine Teilung des Landes in Nord- und Südvietnam vorsah, und versuchten weiterhin intensiv Einfluß auf die Südvietnamesen zu nehmen. Damit verspielten die USA jede Möglichkeit, im asiatischen Raum ihr Gesicht zu wahren. Dafür erhielten sie im Frühjahr 1975 die Quittung durch eine letzte große Offensive der Nordvietnamesen, die mit der Einnahme Saigons und Umbenennung in Ho-Chi-Minh-Stadt endete. Nach dem Fall von Saigon wurden Nord- und Südvietnam am 2. Juli 1976 unter dem Namen Sozialistische Republik Vietnam endgültig wiedervereinigt. Damit war die ultimative Niederlage für die Amerikaner besiegelt.

 

 

Montag, 08. Januar 2024
Nach der langen gestrigen Stadtbesichtigung kann ich heute mal lange ausschlafen und versuchen den Jetlag in den Griff zu bekommen. Gegen Mittag stelle ich erschrocken fest, dass einige Tasten meiner Laptoptastatur nicht mehr funktionieren und auch nicht mehr zur Arbeit überredet werden können. Dann muß eben eine externe Tastatur her. Ich frage in der Lobby, wo man denn heute hier Elektronik einkaufen könne. Die Mitarbeiter lächeln freundlich und sind super hilfsbereit. Sie fragen, was ich denn genau benötige. Als ich ihnen eine kleine englische USB-Tastatur beschreibe, läuft der eine gleich los. Nach zehn Minuten kommt eine Nachricht mit Bild. Genau so etwas wollte ich. Kurz darauf steht der Mitarbeiter lächelnd wieder in der Lobby mit meiner neuen Tastatur in der Hand. Wir probieren sie gleich aus, und der Laptop erkennt sie korrekt. Alles gut, die Reise kann weiter gehen. Vom Service bin ich ehrlich gesagt platt. So etwas habe ich auch noch nicht erlebt.

Am Abend gegen 18 Uhr trifft sich unsere Reisegruppe das erste Mal mit unserem Reiseleiter Duy Nguyen im Frühstücksraum des Hotels. Wir besprechen die wichtigsten Daten der Reise und tauschen Telefonnummern und Versicherungsinformationen aus. Wir sind 16 Personen in der Gruppe. Eine Familie mit zwei erwachsenen Söhnen aus Australien, ein Ehepaar mit seinen Eltern und seiner Schwester aus Kanada, zwei Damen aus Großbritannien, ein Mutter-Tochter-Gespann aus Großbritannien und zwei einzelreisende Frauen aus den USA und Großbritannien. Nach dem Treffen gehen wir zu Fuß zu einem nahe gelegenen Restaurant, das von Kriegsversehrten und aufgrund des Krieges behindert geborenen Menschen betreut und geführt wird.

 

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