Montag, 04. Oktober 2021
Beim Frühstück kann ich mir heute nochmal Zeit lassen. Die Unterkunft hat wieder ein reichhaltiges Morgenmahl gezaubert. Heute beginnt ein ganz besonderes Abenteuer, für das ich in der Vergangenheit nie Zeit gefunden hatte. Ich werde für insgesamt zwei Wochen in der Cango Wildlife Ranch hier in Oudtshoorn als Volunteer mitarbeiten. Dort bin ich inzwischen seit 18 Jahren Mitglied der Cheetah Preservation Foundation (CPF) und damit wahrscheinlich das Mitglied mit der längsten Mitgliedschaft. Und natürlich werde ich neben der Arbeit auch ganz viele Gelegenheiten haben mit Justin und Solo und anderen Geparden zu spielen. Ende der letzten Woche hat mich noch die Nachricht erreicht, dass es Justin nicht gut geht, aber er soweit in Ordnung sei.
Dann mache ich mich auf zur nahe gelegenen Ranch. Als langjähriges Mitglied werde ich gleich von zwei Mitarbeitern am Eingang empfangen. Von Tamblyn, der Kuratorin der großen Raubtiere, und Carmen, der Leiterin der CPF. Sie begrüßen mich wie immer sehr herzlich. Und dann informieren sie mich mit Tränen in den Augen über den gesundheitlichen Zustand von Justin. Dieser hat sich am Wochenende sehr verschlechtert. Er hat sich zurückgezogen und aufgehört zu trinken und zu fressen. Bei Wildtieren ist eine solche deutliche Verhaltensänderung ein sehr eindeutiges Zeichen, dass es Zeit ist und es mit ihm zu Ende geht. Die Vermutung ist, dass seine Nieren bereits ihre Funktion eingestellt haben, eine bei Geparden sehr häufige, natürliche Todesursache.
Die Mannschaft hat heute morgen die Ethikkommission einberufen. Es wurde entschieden Justin heute im Laufe des Tages durch den anwesenden Tierarzt zu erlösen. Gegen Mittag ist es dann soweit. Justins Zustand hat sich nicht mehr gebessert, und der Tierarzt hat ihn schließlich erlöst. Justin ist dabei ganz friedlich eingeschlafen.
Mir wird die Unterkunft für die nächsten zwei Wochen gezeigt. Eine tolle Lodge mit schönem und großem Garten mit direktem Zugang zur Ranch. Ich bekomme meine neue "Berufskleidung", und dann geht es auch gleich los. Den anderen sechs Volunteers und mir wird die Ranch gezeigt. Nach einem verspäteten, aber sehr leckeren Mittagessen geht es zum Gehege der Zwergflusspferde. Dort wird das große Wasserbecken gereinigt. Die Zwergflusspferde sind derweil zu unserer Sicherheit in ihrem Nachthaus eingeschlossen. Beim gemeinsamen Abendessen lernt sich das Team der Volunteers ein bißchen kennen.
Dienstag, 05. Oktober 2021
Um acht Uhr geht es los zur Arbeit. Für mich ist das eindeutig zu früh. Wir laufen von der Lodge in fünf Minuten bis zu unserem Teamraum auf der Ranch. Aber nicht ohne die vorgeschriebenen Covid-Prozeduren zu durchlaufen. Alle Volunteers (eine Deutsche, ein Deutscher, ein Niederländer, ein Ire, eine Mexikanerin und eine US-Amerikanerin) sind verpflichtend geimpft und wenn kein anderer Mitarbeiter anwesend ist, können wir unsere Masken abnehmen.
Das Ziel der ersten Tage ist es, alle Tiere auf der Ranch kennenzulernen und die Ranch auch hinter den Kulissen gezeigt zu bekommen. Heute findet unsere erste Interaktion mit Tieren statt. Zunächst sind die niedlichen Katta dran, Lemuren mit langen, schwarz-weiß quergestreiften Schwänzen. Sie sind sehr neugierig und kommen recht schnell in unsere Nähe. Aber erst dank eines kleinen Fruchtsalats kommen sie ganz nahe und setzen sich sogar auf unseren Schoß. Sie sind relativ zutraulich, aber doch recht schreckhaft oder vielleicht einfach nur sehr aufmerksam. Ihr Fell ist super weich, und sie sehen aufgrund ihrer großen Augen wirklich niedlich aus. Ihre Hände und Füße haben zwar eindeutige strukturelle Ähnlichkeiten mit den Gliedmaßen von uns Hominiden. Aber sie unterscheiden sich doch entscheidend und weisen die für Affen typische Daumenstellung auf.
Nach diesen niedlichen Artgenossen machen wir uns auf zu unserer ersten Begegnung mit Geparden. Wir dürfen zu den zwei Teenagern. Die sind heute recht aktiv, und so können wir sie kaum streicheln. Aber dennoch wird der "Encounter", das Zusammentreffen, recht spaßig und verspielt. Anschließend besuchen wir noch die nebenan wohnende Rafiki. Sie ist sehr viel entspannter und liegt eher faul in der Sonne herum. Obwohl, der Rummel von nebenan hat schon auch ihre Aufmerksamkeit sehr geweckt. Wobei sie sich das absolut und ganz und gar nicht anmerken lassen will. Und jetzt wird sie ausführlich gestreichelt. Sie genießt es sichtlich und schnurrt ganz laut.
Dann holt uns Steven ab und führt uns um die Gehege der Großkatzen herum bis zum Heim der Leoparden-Dame. Selbstverständlich weiß sie schon lange, bevor wir sichtbar werden, dass wir kommen. Sie lässt sich auch nicht aus der Ruhe bringen und bleibt erst einmal in ihrem gut getarnten Versteck liegen. Wir bekommen eine detaillierte Sicherheitseinweisung. Schließlich dürfen wir die Leopardin mit Fleischstücken in einer genau definierten Art und Weise füttern. Dieses Vorgehen dient nicht nur der Fütterung, sondern trainiert auch wichtige Verhaltensweisen, die für die Pflege und für ärztliche Untersuchungen wichtig sind.
Wir lernen heute noch einige andere Mitglieder des Teams kennen und bekommen unseren Wochenplan erklärt. Dann dürfen wir Volunteers Feierabend machen. Es ist noch eine Stunde bis zur Schließung der Ranch. Anstatt gleich in die Lodge zurückzukehren, statte ich meinen Lieblingstieren nochmal einen Besuch ab. Alle Mitarbeiter sprechen mich mit Vorname an und scheinen mich zu kennen. Ich befürchte, Carmen hat das Team vorbereitet. Auf jeden Fall werde ich eingeladen, mit den Pflegern zu einem der einzelnen Geparden mitzugehen. Er lässt sich ausgiebig streicheln und fühlt sich richtig wohl dabei. Anschließend holt Tamblyn einen Ball hervor, und wir spielen mit dem Geparden Fußball. In seinem Spieltrieb und Verhalten ähnelt der Gepard wirklich sehr stark einem Hund. Das Spiel macht allen richtig Spaß. Und wow, der Gepard hat eine beachtliche Beschleunigung drauf.
Mittwoch, 06. Oktober 2021
Heute morgen geht's für mich gleich zur Fütterung der Kleintiere. Bei den Stachelschweinen ist es noch recht einfach. Sie haben starke Zähne und Kiefer und bekommen eine Schüssel mit großen Gemüse- und Obststücken. Der Schüsselinhalt wird einfach mit einem kräftigen Schubs ins Gehege befördert. Direkt danach ist die Rangordnung der Tiere sehr eindeutig erkennbar. Als nächstes kommen die kleinen Affen dran. Sie sind in zwei Gruppen noch auf einer Isolierstation, weil sie erst kürzlich angekommen sind. Sie sind flink und können ihr Festmahl kaum erwarten. Dabei haben sie auch keine Hemmungen, auf dem Weg zum Futternapf uns Menschen als Hilfsmittel zu nutzen. Sie sind wirklich süß und springen gerne auf unseren Schultern und Armen herum. Nur meine Brille weckt ein unwiderstehliches Interesse. Und dabei wird dann schon mal schnell zugepackt.
Die Fütterung der Agutis ist leider wenig spektakulär, weil die Tiere extrem scheu sind und sich kaum aus der Deckung trauen. Wenn man sich aber etwas Zeit nimmt und in Ruhe ohne viel Bewegung auf die Lauer legt, dann hat man die Chance, dass ein Aguti sogar ganz nahe kommt und einem etwas verdutzt in die Augen schaut. Zum Schluss kommen noch die Meerkatzen dran. Ihre Fleischportionen sind jeweils in einer kleinen Metallschale vorbereitet, für jede Meerkatze eine. Sie warten auch geduldig, bis ich alle Schalen im Gehege platziert habe. Aber dann bricht das große Fressen aus.
Heute ist erneut der Tierarzt zu Besuch. Bei Sansa, einem Gepardenweibchen in der Forschungsstation, ist eine Ultraschalluntersuchung fällig. Sie zeigt leichte Anzeichen einer Schwangerschaft. Ich darf als Naturwissenschaftlicher ausnahmsweise den Doktor begleiten. Er ist sehr nett und ein sehr erfahrener Wildtierarzt. Er erklärt mir recht genau, was er tut. Wir unterhalten uns wirklich prächtig, auch über die verschiedenen zum Einsatz kommenden Narkosemittel. Nachdem die Gepardin eingeschlafen ist, verfrachten wir sie mit Muskelkraft aus ihrem großen Wildgehege auf die Pritsche des Autos und transportieren sie ganz vorsichtig zur kleinen Hütte in der Nähe des Haupteingangs. In dem Raum hat der Doktor bereits sein Ultraschallgerät aufgebaut. Nur hier ist es dunkel genug, um die Anzeigen gut erkennen zu können. Der Doktor rasiert das Tier routiniert am Bauch, und dann dauert es ein wenig, bis auf dem Monitor zwei winzige Embryos zu erkennen sind. Die Gepardin ist also tatsächlich trächtig. Es sind mindestens zwei Embryos, aber der Doktor weiß, wie schwierig die genaue Lokalisation und Zählung in dem frühen Stadium ist. Wir erkennen den winzigen Kopf und die Wirbelsäule. Auch die Rippen sind erkennbar. Der geschätzte Geburtstermin soll noch vor Weihnachten sein. Die Freude im umstehenden Team ist groß. Eines dieser beiden Winzlinge wird mein neues Adoptivkind als Nachfolger für Justin. Wir bringen Sansa zurück in ihr Heim, und dann bekommt sie das Gegenmittel gespritzt. Kurz darauf steht sie bereits wieder auf und nimmt sich erst einmal einen ausführlichen Schluck Wasser. Ein hervorragendes Zeichen.
Als zweiten Auftrag hat der Doktor noch Kastrationen an drei Löffelhunden vorzunehmen. Da die Tiere inzwischen geschlechtsreif geworden sind, entbrennt zwischen ihnen ein ständiger Kampf, bei dem sie sich auch schon ernsthafte Verletzungen in Form schwerer, langsam verheilender Bisswunden zugefügt haben. Da auch langfristig auf der Ranch keine Zucht mit Löffelhunden geplant ist, ist die Kastration die vielleicht beste Möglichkeit, wieder Frieden zwischen den Dreien zu schaffen. Dazu werden die Tiere unter Vollnarkose gesetzt und in Transportkisten in die Tierarztpraxis transportiert. Dort schlafen sie zum Glück noch immer. Eine ideale Gelegenheit sie zu streicheln.
Und dann operiert der Doktor in seinem OP alle drei Tiere. Dabei stellen wir fest, dass das unterwürfigste Tier deformierte Hoden hat. Das erklärt, weswegen vor allem er Ziel für die Angriffe war. Die drei Operationen verlaufen allesamt erfolgreich und ohne Komplikationen. Der Doktor überprüft noch die Augen und Tränenkanäle der Tiere und versorgt die Wunden. Schließlich werden die drei wieder zurück zur Ranch und in ihr Gehege gebracht. Dann bekommen sie noch die Spritzen mit dem Narkose-Gegenmittel.
Bei aller Faszination und allem Neid um den Beruf des Tierarztes soll nicht verschwiegen werden, welcher enorme Dokumentationsaufwand heute für jedes einzelne Tier getrieben werden muss. Nicht nur die genaue Diät wird täglich dokumentiert, sondern auch jede Behandlung, jede gegebene Arznei, jede Vitaminspritze und alle Beobachtungen während einer Operation werden detailliert in einer globalen Datenbank aufgezeichnet. Und diese Informationen sind von allen Wildtierexperten auf der Welt abrufbar.
Um die vielen Tiere, insbesondere die großen und gefährlichen geistig und körperlich auf Trab zu halten, wird ein tägliches "Spiel- und Unterhaltungsprogramm" durchgeführt. Heute sind wir dran, für die sieben bengalischen Tiger für Abwechslung zu sorgen. Wir nutzen gebrauchte Pappkisten und Schnüre, um Konstruktionen zu bauen, die später in den einzelnen Gehegen aufgehängt werden und die Tiger zum Spielen verleiten sollen. Es entbrennt ein regelrechter Wettbewerb zwischen den Volunteers über die Konstruktion, die am erfolgreichsten, sprich am längsten, das Interesse der Tiere auf sich ziehen wird. Als unsere Konstruktionen fertig sind, geht es gleich zu den Tigern. Sie sind im Vergleich zu den Geparden wirklich mächtig und groß und auch deutlich gefährlicher. Sie werden zunächst in ihre Nachtquartiere eingesperrt, so dass wir gefahrlos die Gehege betreten und unsere Konstruktionen aufhängen können. Und dann werden nacheinander die großen Kätzchen losgelassen. Dabei haben die Tiere sehr unterschiedliche Strategien mit diesem Unbekannten umzugehen. Es macht sehr viel Spaß zuzusehen.
Donnerstag, 07. Oktober 2021
Heute beginnt mein Einsatz in der Tierküche. Hier ist es meine Aufgabe, 13 Mahlzeiten zuzubereiten. Für vier Agutis, acht Äffchen und das Dikdik Shelly. Die Mahlzeiten bestehen aus verschiedenen Obst- und Gemüsesorten und einigen Pellets nach strengen Diätvorgaben. Diese liegen für jede Tiergattung in Form von richtigen Herstellanweisungen vor. Die Zutaten werden zunächst geprüft, genau abgewogen und dann jeweils in die speziesgerechte Größe geschnitten.
Nach vollbrachter Arbeit finden wir uns im Sitzungszimmer ein und hören einen sehr interessanten Vortrag mit zugehöriger Diskussion zum Thema "Conservation" oder Umwelt- und Artenschutz. Der Vortrag beleuchtet einige interessante Zusammenhänge und ihre Konsequenzen, die auch mir bisher zu wenig klar waren.
Nach dem Mittagessen folgt ein ebenso interessanter Vortrag von Kai zum Thema "Enrichment" oder Bereicherung mit vielen Beispielen aus der ganzen Welt. Kai ist übrigens der Sohn des Chefs und wird eventuell später mal die Ranch führen. Im Anschluss habe ich einen Termin beim Chef und bei der Kollegin vom Marketing, um von meinen Beobachtungen zu berichten und Vorschläge zur Verbesserung zu machen. Irgendwie werde ich selbst in der Freizeit meine Qualitätsmentalität einfach nicht ganz los :-)
Wir bauen erneut Kistenkonstruktionen für das Enrichment-Programm. Danach bin ich zu einer besonderen Fütterung von einem Geparden eingeladen. Die Sitzung dauert zwar nur 5 Minuten, aber es ist eine kombinierte Fütterung mit Training. Der Gepard wird mit Klicklauten und Futter speziell konditioniert, um bestimmte einfache Verhaltensweisen zu erlernen. Diese dienen dazu, dass die Arbeit der Trainer, Tierärzte und Kuratoren ungefährlicher wird und zum Beispiel Untersuchungen der Tiere auch ohne deren Betäubung erfolgen können. Danach habe ich ausführlich Gelegenheit, den Geparden zu streicheln.
Freitag, 08. Oktober 2021
Heute morgen unternehmen wir eine lange Wanderung einmal um das Forschungscamp Greystone, um die Zäune zu prüfen. Dabei sehen wir viel von der lokalen Flora und Fauna. Die Wanderung ist durchaus anstrengend, da das Gelände nicht flach, sondern hügelig ist und vielfach große Geländeauswaschungen aufweist.
Nach unserer Wanderung dürfen wir beim Training der Leopardin, der Löwen und von zwei Tigern mitmachen. Vor allem die Leopardin und die Tiger sind wirklich wunderschöne, aber durchaus auch unberechenbare Tiere.
Danach darf ich nochmal nach Greystone und treffe den lieben Solo und die drei frisch operierten Löffelhunde. Solo ist super relaxed und lässt sich ausführlich streicheln und richtig knuddeln. Er ist ein richtig verschmuster Geselle. Es macht immer richtig Spaß, mit ihm Zeit zu verbringen, und natürlich erkennt er mich wieder.
Einer der Löffelhunde kommt gleich zu mir gelaufen und ist recht zutraulich. Auch er lässt sich ausführlich und liebend gerne kraulen. Er hält sogar den Kopf genau so hin, wie er gestreichelt und gekrault werden will. Er genießt es jedenfalls sehr.
Zum Abschluss des Tages füttere ich noch die Flughunde, die Papageien und das Dikdik. Danach kommen die Stachelschweine, die Meerkatzen und schließlich die Otterdame Spekles dran. Sie ist wirklich süß. Sie liest unsere Körpersprache und macht sich schon auf den Weg zum Futterfangen, noch bevor wir das Fleischbällchen geworfen haben. Es gibt sogar ein Handzeichen, auf das sie ein Männchen macht und sehr gekonnt das Futter aus der Luft fängt. Ein zweites Zeichen signalisiert, dass die Fütterung vorbei ist und die Metallschüssel leer ist.
Dann werden wir noch zum Einsammeln der fünf Hühner abkommandiert. Wie immer klappt das Einfangen von vier Hühnern gut. Aber das fünfte macht Ärger und hält uns ganz schön auf Trab, bevor es sich unter einem Holzsteg versteckt und wir nicht mehr ran kommen. Mit keinem unserer Überredungstricks können wir das Huhn zur Aufgabe bewegen. Schließlich kommt ein Techniker und hebt zwei Bretter vom Holzsteg ab, und das Schauspiel findet ein glückliches Ende.
Ganz am Ende mache ich einen ausführlichen Rundgang auf dem Catwalk, um nochmal die Geparden zu besuchen.
Für die Aktivitäten vom Wochenende, siehe den vorhergehenden Beitrag.
Montag, 11. Oktober 2021
Heute morgen darf ich in das Gehege des Servals und ihn streicheln. Der Serval ist vom Verhalten her einer Katze sehr viel ähnlicher als ein Gepard. Ein Knuddeln ist bei ihm nicht möglich und auch das Streicheln ist sehr viel "distanzierter". Gleich im Anschluss darf ich wieder mit den Geparden spielen, weswegen die eben gemachten Beobachtungen besonders eindrücklich sind.
Als weiteres Highlight darf ich dann die große Boa Constrictor auf den Schoß nehmen und streicheln. Ebenfalls eine sehr interessante Erfahrung. Insbesondere das hohe Gewicht der Schlange fällt auf. Außerdem ist sie natürlich nicht schleimig oder irgendwie unangenehm anzufassen, wie man vielleicht meinen könnte. Die Haut der Schlange ist trocken, fühlt sich etwas wachsartig an und ist auf ihrer Oberseite dicht mit vielen kleinen Schuppen besetzt. Am Bauch sind die Schuppen größer und länglich. Das Farbmuster ist wunderschön. Das Auge der Schlange ist zwar rund, aber farblich in zwei Halbkreise geteilt. Das verhindert, dass die Tarnung der Schlange durch die perfekte Kreisform unterlaufen wird.
Ich treffe den Kurator für die Reptilien und helfe ihm den Nachmittag über beim Säubern der Terrarien und Füttern der Schlangen und Riesenspinnen. Auch hier gibt es strenge Verhaltensregeln und Abläufe zum Schutz der Mitarbeiter. Zunächst werden die Tiere vom Kurator und seinem Helfer aus den Terrarien in Transportkisten überführt. Das funktioniert bei den großen Würgeschlangen recht gut. Sie sind zwar sehr schwer und erfordern für die Überführung einiges an Kraft, aber sie sind nicht besonders angriffslustig. Ganz anders die Ottern, Vipern und Mambas. Vor allem bei den sehr aggressiven und sehr giftigen Mambas ist höchste Vorsicht und besondere Konzentration erforderlich. Sie sind stark territorial, sehr schnell und ihr hochwirksames Nervengift führt beim Menschen innerhalb von Minuten zum Tod durch Atemstillstand. Alle verfügbaren Antidote liegen griffbereit. Nachdem die Bewohner sicher in ihren Transportkisten schlummern, können wir die Terrarien gründlich säubern und mit frischem Wasser versorgen. In einem der Terrarien liegt ein Stück einer abgestreiften Schlangenhaut. Sie ist hauchdünn, sehr fragil und fühlt sich trocken und ein wenig wachsartig an. Auf jeden Fall ist die Haptik doch irgendwo anders als die einer lebenden Schlange.
Da ich auf Spinnen zwar nicht mit totaler Panik reagiere - nun ja, sagen wir mal: nicht mehr - aber dennoch starke Angstsymptome bei ihrem Anblick verspüre, wollte ich mit den hier lebenden großen Vogelspinnen ein kleines Experiment durchführen. Durch die Glasscheibe hatte ich sie schon des Öfteren ganz genau betrachtet und fasziniert beobachtet. Solange sie entweder still saßen oder sich langsam bewegten, war alles gut. Aber bei schnellen und vor allem plötzlichen Bewegungen leider ganz und gar nicht. Um den nächsten Schritt zu gehen, wollte ich nun eine der große Vogelspinnen auf meine Hand gesetzt bekommen. So als eine Art Schocktherapie und um zu sehen, was passiert. Also habe ich den Kurator um dieses Experiment gebeten. Da diese Spinnen ihre Giftzähne noch haben und den Umgang mit Menschen nicht gewohnt sind, wurde mein Wunsch von der Geschäftsführung aus versicherungstechnischen Gründen abgelehnt. Schon komisch, im Grund bedauere ich diese Möglichkeit nicht bekommen zu haben.
Dienstag, 12. Oktober 2021
Gleich am Morgen übernehmen wir das Enrichment für die Leopardin, die Löwen und zwei der Tiger. Für die Leopardin misten wir das Nachthaus aus und breiten neues Stroh aus. Unsere Kartons haben wir sehr hoch an ihrer Kletterstange angebracht und hatten schon Bedenken, dass das vielleicht zu hoch sein könnte. Aber von wegen - mit einem beherzten und wirklich beachtlichen Sprung holt die Leopardendame die Kartonkonstruktion von der Stange. Wir können dabei wunderschön die kräftigen Muskeln erkennen. Wirklich beeindruckend.
Es ist gar nicht so leicht, die drei hellblonden Löwen in ihre Nachtunterkunft zu locken. Zwischen den zwei Weibchen und dem Männchen herrscht irgendwie eine etwas gereizte Stimmung. Aber schließlich schaffen wir es doch mit einem Trick, sie dorthin zu bekommen, wo wir sie haben möchten. Erst nachdem alles gesichert ist, können wir uns in die Höhle der Löwen - naja Gehege der Löwen - wagen. Dort haben wir einiges aufzuräumen. Es liegen viele kleine Zweige und Blätter herum, die wir zusammenfegen sollen. Dann hängen wir ebenfalls Kartons in einem Baum auf. Einen riesigen Karton drappieren wir direkt auf dem Boden. Nach dem Öffnen der Käfige kommt zunächst das Männchen gerannt und legt sich nach wenigen Sekunden hin. Die Weibchen sind wesentlich aktiver und machen sich an dem riesigen Karton zu Schaffen. Nach einiger Zeit versucht eine Löwin den Karton vom Baum zu holen. Es dauert dann relativ lange, bis sie den Dreh raus hat. Das Männchen hat sich in der Zwischenzeit dem riesigen Karton zugewendet. Es hat genug Gewicht und genügend Kraft in den Pranken und im Gebiss, um den Karton ordentlich zu deformieren. Aber schon nach wenigen Minuten ist das Interesse wieder erloschen, und die beiden Weibchen fokussieren sich auf den riesigen Karton.
Schließlich geht es noch zu zwei der bengalischen Tiger. Sie sind noch in ihrer Nachtunterkunft. Einer der beiden hat heute seinen elften Geburtstag. Dafür bekommt er ein spezielles Geschenk aus Stroh in der Form einer 11. Wir besprühen das Spielzeug mit Parfüm, eine einfache Möglichkeit, das Interesse der Tiere zu lenken. Wir hängen die Kartons wieder hoch in einem Baum auf. Auch die Tiger brauchen nicht lange, um mit kräftigen Prankenschlägen die Kartons vom Baum zu holen. Sie spielen ausführlich mit dem Stroh und den Kartons und wälzen sich ausführlich darin.
Als Teil des Enrichment-Programms werden die Geparden hin und wieder, wenn auf der Ranch nicht zu viel los ist, an einer Leine durch die Ranch oder die Straße entlang gassi geführt. Leider hat Rafiki aber wenig Lust, so dass der heutige Ausflug nur sehr kurz dauert.
Nun steht der Transport eines ausgewachsenen, schweren und vor allem kräftigen Krokodils aus der Krankenstation in sein Freigehege mit großem Wasserbecken an. Insgesamt sind zwölf Mann dafür notwendig. Zunächst werden dem Tier die Augen mit einem Handtuch abgedeckt und das Maul mit einem Seil zugebunden. Erst dann können die Mitarbeiter das Tier mit vereinten Kräften auf die vorbereitete Transportbare bringen. Zunächst wehrt sich das Tier noch mit kräftigen Schlägen mit dem Schwanz. Aber dann wird die Bare angehoben und es geht mit relativ schnellen Schritten quer durch die Ranch dem Ziel entgegen. Dort angekommen wird das Krokodil aus der Transportvorrichtung gehoben und das Seil um das Maul entfernt. Jetzt verlassen alle Mitarbeiter bis auf einen das Gehege. Das Tier liegt regungslos da. Als letztes wird dann das Handtuch mit einem kräftigen Ruck vom Gesicht gezogen. Die Augen gehen auf, und das Tier springt mit einem kräftigen Satz ins nahe Wasser. Gut so, es ist alles gut gegangen.
Für die Meerkatzen, die Papageien, die Lemuren und die Stachelschweine bereiten wir die heutigen Aktivitäten vor. Die Meerkatzen bekommen drei verschlossene Kartons voll mit Laub. Es dauert einige Minuten, bevor sie sich an die unbekannten Gegenstände heran trauen. Sehr vorsichtig pirschen sie sich heran und beschnuppern die Kartons erst einmal. Und dann beginnen sie mit ihrem typischen Suchverhalten - sie graben mit den Vorderpfoten um die Kartons herum. Und obwohl sie selbst schnell feststellen, dass sie das nicht weiterbringt, können wir dieses Verhalten immer wieder beobachten. Irgendwann sitzt die erste Meerkatze dann auf einem Karton und verscheucht alle anderen. Sie versucht die Laschen zu öffnen. Als sie damit endlich Erfolg hat, fällt sie in den Karton und die Blätter. Vor lauter Schreck springt sie in einem beherzten Satz aus dem Karton und versteckt sich kurz. Aber dann kommen die anderen zu Hilfe, und sie lüften das Geheimnis der drei Kartons.
Für die Papageien bereite ich heute eine besondere Herausforderung vor. Wir haben leere Flaschenverschlüsse auf eine Schnur gefädelt und bringen zwischen zwei jeweils etwas Fruchtsalat. Die Schnüre hängen wir dann im Gehege auf. Es erfordert sehr viel Geschick von den Vögeln, an das Futter zu kommen. Die meisten hängen sich kopfüber an ein Seil und versuchen dann mit dem Schnabel die Schnur samt Futter an sich zu ziehen und dann die Schnur mit den Füßen festzuhalten. Dann ziehen sie die Schnur wieder mit dem Schnabel ein Stück weiter nach oben, bis sie an das Futter herankommen.
Auch die Lemuren bekommen Früchte, allerdings nur geviertelte Fruchtstücke, die wir an Schnüren festmachen. Die Schnüre hängen wir relativ hoch auf, so dass sie für die Tiere schwierig zu erreichen sind. Die Katta sind wirklich hervorragende Kletterer und versuchen auf unterschiedlichen Wegen an die begehrte Nahrung zu gelangen und haben doch so ihre liebe Mühe dabei. Und das ist auch gut so. So werden sie gefordert, und so haben sie eine Beschäftigung. Am Ende haben übrigens alle ihren Anteil erreicht. Dagegen sind die Stachelschweine relativ einfach zu beschäftigen. Sie bekommen Oberschenkelknochen von Eseln, an denen sie genüsslich und sehr ausführlich herum nagen, um an das begehrte Mark zu kommen.
In Vorbereitung für die morgige Fütterung geht es nun zu den Brutboxen für Insekten. Wir sammeln alle Fliegenlarven in einem bestimmten Stadium sowie Maden aus den Boxen. Die Ausbeute ist aber eher bescheiden. Das macht aber nichts, denn der tägliche Bedarf ist zum Glück nicht so wahnsinnig hoch.
Dann darf ich erneut auf das Forschungscamp Greystone. Zunächst füttere ich die drei Löffelhunde und kann sie dabei ausführlich streicheln. Dann geht es zu Raven. Sie hat eine bakterielle Infektion und muss derzeit Antibiotika bekommen. Wir versuchen die Tablette in Fleischstücken in ihrem Fressen zu verstecken. Obwohl wir mehrere Anläufe nehmen, ist das nicht von Erfolg gekrönt. Geparde haben eine sehr gute Nase und scheinen es zu riechen, wenn etwas "faul" ist. Am Ende hat es dann aber doch mit einem sehr großen Fleischstück und etwas Ablenkung geklappt. Im Gegensatz dazu ist die Fütterung von Milo, ebenfalls ein Gepard, ein Kinderspiel.
Zum Abschluss besuche ich zusammen mit Tamblyn nochmal Solo und kann richtig ausführlich mit ihm spielen. Er ist ja so ein lieber. Am Abend treffe ich erneut den Chef der Ranch zu einem sehr interessanten und fast einstündigen Austausch. Nach dem Abendessen spielen die Volunteers zum Ausklang eines anstrengenden Tages noch das Kartenspiel Hearts.
Mittwoch, 13. Oktober 2021
Heute darf ich erneut nach Greystone und helfe bei der morgendlichen Routine für die vielen Geparden. Fütterung, Reinigung der Gehege und Austausch des Trinkwassers. Obwohl es Arbeit ist, macht es wirklich Spaß, so nahe mit meinen Lieblingstieren zu interagieren. Jedes mit einem eigenen Charakter. Sie reagieren alle etwas unterschiedlich auf meine ungewohnte Anwesenheit, je nachdem ob ich sie im Laufe der Jahre schon einmal getroffen habe oder nicht.
Heute kommt erneut der Tierarzt kurz vorbei, um nach Raven und ihrer Infektion zu schauen. Außerdem statten wir den Löffelhunden einen kurzen Nachsorgebesuch ab. Schließlich schaut sich der Doktor noch einen Flughund genauer an, bei dem die Pfleger eine Auffälligkeit am Auge entdeckt haben.
Nach dem Mittag findet eine Lagebesprechung statt. Die Pflegestation muss dringend gereinigt werden. Leider haben sich dort aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit im Gebäude Schimmelflecken an der Drecke gebildet. Die Insassen wurden bereits am Vormittag evakuiert. Nun sollen wir bei der Reinigung helfen. Ich schlage vor, anstelle des geplanten Einsatzen eines Chlorreinigers besser Wasserstoffperoxid für die Schimmelbeseitigung zu nutzen. Der entscheidende Vorteil wäre, dass es rückstandsfrei abgewaschen werden kann. Mein Vorschlag wird sofort aufgenommen und einer der Mitarbeiter wird losgeschickt, um H2O2 zu besorgen. Den gesamten Nachmittag verbringen wir mit der Reinigung des Care Centers und der Behandlung der Schimmelflecken. Am Abend sehen die Räumlichkeiten schon wieder ganz gut aus. Ich spritze alle Flächen zur Sicherheit nochmal ausführlich mit Wasser ab.
Zum Abschluß des Tages begebe ich mich nochmal zu den Geparden, und Steven lässt mich mal wieder ausführlich mit meinen Lieblingen spielen und kuscheln - er nennt das Bonding.
Donnerstag, 14. Oktober 2021
Heute ist mein letzter vollständiger Tag auf der Ranch. Ich beginne in der Küche und bereite das Futter für sechs Affen, vier Agutis und vier Stachelschweine vor. Danach geht es nochmal ins Care Center zu einer zweiten Behandlung aller betroffenen Stellen, nur um sicher zu gehen.
Mit Melinda führe ich anschließend mein Abschlussinterview mit Feedback über meinen Aufenthalt und generelle Manöverkritik zum Programm. Dann besuche ich nochmal Carmen wegen meiner Patenschaften, und wir schauen uns ein paar Bilder von meinen Besuchen aus den letzten achtzehn Jahren an.
Heute wird erneut ein wieder genesenes Krokodil in sein dauerhaftes Domizil zurück transportiert. Dann folgt für mich die Fütterung der Flughunde, der Papageien, der Aguthis, der Stachelschweine und der Otterdame Spekles. Ich helfe nochmal bei der Betreuung der Lemuren, bevor ich ins Cheetahland gehe und dort mit zwei Geparden spielen kann. Als ich auch hier Bilder aus der Vergangenheit zeige, sind die Mitarbeiter hin und weg, zumal viele von ihnen noch gar nicht so lange dabei sind und die meisten Veränderungen an und in der Ranch nicht mitgemacht haben.
Am Abend braaien die Volunteers zusammen mit Kai. Eigentlich klappt alles recht gut, bis Kai, der Braaimaster, irgendwie abgelenkt wird. Das Brot ist dabei sehr stark angebrannt. Aber wir hatten Glück, dass das Fleisch nicht zu viel Hitze abbekommen hat und noch genießbar war.
Freitag, 15. Oktober 2021
Nun geht es leider schon wieder ans Packen. Ich besuche ein letztes Mal die Ranch und treffe mich mit Craig, dem zoologischen Leiter der Einrichtung. Er zeigt mir die Datenbank SIMS, oder Species 360, diejenige mit den vielen Eintragungen zu jedem einzelnen Tier. Wir recherchieren die Details zu meinen bisherigen Patenkindern, die im Laufe der Jahre die Ranch durch Austauschprogramme verlassen haben. Auch wir diskutieren über einige Verbesserungsvorschläge, insbesondere zur Vereinfachung der doch sehr aufwendigen Dokumentation. Der Einsatz von Barcode-Scannern könnte hier eine Vereinfachung liefern.
Zum Abschluss, bevor ich mich wieder auf die Weiterreise mache, darf ich nochmal einige Encounters machen. Mit den Geparden, dem Serval, der Leopardin, den Lemuren und zum Abschluss nochmal mit Solo. Ich nehme ein letztes Mittagessen auf der Ranch, einem Krokodilburger, ein. Danach kommt wie immer der nicht ganz einfache Abschied.
In Oudtshoorn gehe ich nochmal zum Einkaufen und Volltanken und starte am frühen Nachmittag meine Fahrt über den wunderschönen Outeniqua-Pass in Richtung Meer. Genauer nach Plettenberg Bay.
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